Die Geschichte von Fatima, erzählt von Lucia dos Santos


So beginnen die „Erinnerungen“ von Lucia:
„Ich kann mich in meinem Dasein noch bis zu den mütterlichen Umarmungen zurück erinnern. Ich erinnere mich, als ich geschaukelt wurde und bei dem Klang der verschiedensten Lieder eingeschlafen bin. Das Erste, was ich erlernte, war das „Gegrüßet seist Du, Maria…“, denn meine Mutter hielt mich gewöhnlich im Arm, wenn sie meiner Schwester Carolina, die fünf Jahre älter als ich war, den Katechismus lehrte.
Als ich das sechste Lebensjahr vollendet hatte, dachte meine Mutter daran, dass ich die Erste Heiligen Kommunion erhalten könne. Meine Freude darüber lässt sich kaum erklären. Endlich nahte der dafür vorgesehene Tag. Als der Priester (zur Kommunionausteilung) die Altarstufen herabstieg, um das Brot der Engel auszuteilen, war mir, als wolle mir das Herz aus der Brust springen. Kaum lag die göttliche Hostie auf meiner Zunge, fühlte ich eine Gelassenheit und einen unerschütterlichen Frieden Ich fühlte mich durchdrungen von solch einer übernatürlichen Atmosphäre, dass mir die Gegenwart unseres Lieben Gottes so deutlich spürbar wurde, als würde ich Ihn mit den leiblichen Sinnen sehen und hören. So richtete ich an Ihn meine Bitte: „Herr, mache aus mir eine Heilige, erhalte mein Herz immer rein und nur für Dich bereit“. In diesem Moment war es mir, als würde unser guter Gott im Grunde meines Herzens zu mir sprechen: „Die Gnade, die dir heute gewährt wurde, wird in deiner Seele lebendig bleiben und Früchte ewigen Lebens hervorbringen.“

Ich fühlte mich durch das Brot der Engel so gesättigt, dass es mir fürs erste unmöglich war, irgendwelche Nahrung zu mir zu nehmen. Von da an verlor ich den Geschmack und die Anziehung, die ich für die Dinge der Welt zu spüren begonnen hatte, und ich fühlte mich nur an irgendeinem einsamen Ort wohl, wo ich mich allein an die Freuden der Ersten Kommunion erinnern konnte.

Vor den Ereignissen im Jahre 1917 gab es, ausgenommen von den Verwandtenbeziehungen, die wir pflegten, keinerlei besondere Beziehung zu Jacinta und Francesco, sie waren für mich wie jedes andere Kind.
Ich weiß nicht warum, doch für Jacinta und ihren kleinen Bruder Francisco hatte ich eine besondere Vorliebe, und sie suchten mich wiederum ständig auf, um mit ihnen zu spielen. Es gefiel ihnen nicht in der Gesellschaft mit anderen Kindern, und sie baten mich, mit ihnen zu dem Brunnen zu gehen, der hinten im Garten war, den meine Eltern besaßen.

Mein Mutter pflegte, uns nach der Abendmahlzeit Geschichten zu erzählen: von der Leidensgeschichte Jesu, von Johannes dem Täufer und von den Erscheinungen in Lourdes. Ich verstand es bereits, die Passion unseres Herrn wie eine Geschichte zu erzählen und begann, meinen kleinen Vettern ganz detailliert über die Geschichte des Leidens des Herrn, wie ich es nannte, zu berichten. Beim Erzählen empfand Jacinta das Leiden Unseres Herrn derart nach, dass sie zu Tränen gerührt war. Sie bat mich in der Folgezeit viel Male darum, die Leidensgeschichte erneut zu erzählen. Sie weinte ganz kummervoll und sagte: „Unser armer Herr... Ich werde nicht mehr sündigen… Ich will nicht, dass Unser Herr noch mehr leidet.“

Inzwischen war ich zu einem Alter herangereift,  in dem meine Mutter entschied, ihre Kinder zum Hüten der Herde zu schicken. Meine Schwester Carolina war zwölf Jahre alt und es war erforderlich, dass sie zu arbeiten begann. Aus diesem Grunde vertraute mir meine Mutter die Verantwortung über unsere Herde an. Obwohl meine Vettern noch recht klein waren, vertraute meine Tante das Hüten ihrer Schafe Francisco und Jacinta an. Ich erinnere mich noch daran, wie die beiden vor Freude fast zersprangen, als sie mir diese Nachricht brachten, um mit mir zu besprechen, wie wir es an jedem Tag anstellen würden, unsere Herden zusammenzulegen. Man beschloss, dass sich jeder zu der Zeit auf den Weg machte, wie es von der Mutter jeweils empfohlen wurde, und wer zuerst losgegangen war, sollte am „Borreiro“ auf den anderen warten. Wir nannten eine kleinen Weiher so, der sich in einer Mulde der Hügel befand. Hatten wir uns zusammengefunden, wurde festgelegt, welches die Weide für diesen Tag sein sollte, und wir waren fröhlich und vergnügt dabei, als gingen wir zu einem Fest.

Wir hatten uns das Vertrauen der Schafe dadurch erworben, dass wir ihnen ihren Weidegrund  verschafften, und so konnten wir beruhigt spielen, wenn wir diesen erreicht hatten, dessen ganz gewiss, dass sie sich nicht von uns entfernten. Jacinta liebte es vor allem, die kleinen weißen Schäfchen in den Arm zu nehmen, sich mit ihnen nierderzusetzen, sie auf ihren Knien zu halten und zu streicheln. Am Abend trug sie sie dann in ihren Armen, besorgt darum, dass sie nicht all zu ermüdet seien. Eines Tages fragte ich sie, als sie sich mitten in den Schafen befand: „Jacinta, warum gehst du inmitten der Herde?“
„Um es Unserem Herrn gleich zu tun, der sich auf dem Bildchen, das mir geschenkt wurde, inmitten vieler Schafe befindet, und der eines davon sogar in Seinen Armen trug.“

Jacinta liebte das Echo all zu sehr, das im Tal widerhallte. Deshalb bereitete es uns größtes Vergnügen, wenn wir oben auf einem der Hügel auf einem Felsblock saßen und mit lauter Stimme einzelne Worte riefen. Der Name, der uns das schönste Echo zurückwarf, war der Name MARIA.
Auch sprach Jacinta manchmal das Gebet „Gegrüßet seist Du, Maria“ sehr langsam rufend, ein Wort nach dem anderen, bis das Echo des vorhergehenden Wortes verhallt war.
Wir stimmten sehr gern Lieder an. Allen weltlichen Liedern, von denen wir sehr verschiedene kannten, zog Jacinta das „Salve Regina“, „Ehrwürdige Frau“, „Reine Jungfrau“ und „Ihr Engel, singt mit uns“ vor.
Während wir hin und wieder durch die Berglandschaft gingen, gefiel es Francisco wiederum, sich abseits und ganz oben auf einen Stein zu setzen und mit seiner Flöte zu spielen oder zu singen.
Wenn seine Schwester und ich die Hänge in schnellem Lauf hinunter eilten, blieb er sitzen und schien ganz von seiner Musik und seinen Liedern entrückt.

Bei Einbruch der Dämmerung liebte es Jacinta, hinauf auf die Tenne, die sich gegenüber von unserem Haus befand, zu gehen, um von dort den Sonnenuntergang und später dann den Himmel, an dem die Sterne aufgingen, zu betrachten. Die schönen klaren Mondnächte bezauberten uns. Wir wetteten miteinander, wer von uns wohl fähig sei, die meisten Sterne zu zählen, und wir sagten zueinander, dass die Sterne die Laternen der Engel seien. Der Mond war die Leuchte der Heiligen Jungfrau und die Sonne die Unseres Herrn. Diesbezüglich sagte Jacinta hin und wieder: „Ich liebe die Laterne Unserer Lieben Frau mehr, die nicht so brennt und blendet wie die Unseres Herrn.“
Francisco kam zum Spielen mit uns auf die alte Tenne, während wir darauf warteten, dass die Heilige Jungfrau und die Engel ihre Laternen anzündeten. Auch er war begeistert dabei, die Sterne zu zählen, doch nichts faszinierte ihn mehr, als ein schöner Sonnenauf- und -untergang. Solange er den letzten Strahl der Sonne irgendwie noch verfolgen konnte, kümmerte er sich nicht darum, ob schon einige Laternen angezündet seien. „Kein Stern ist so schön wie der Unseres Herrn.“, sagte er zu Jacinta, die den der Heiligen Jungfrau vorzog, stets mit der Erklärung, dass dieser den Augen nicht so weh tue.
Voller Begeisterung verfolgte Francisco mit seinen Blicken die Lichtstrahlen, die sich in den Fenstern der Häuser des nahen Dorfes spiegelten, oder in den Wassertropfen, die die Bäume oder Bergsträucher benetzten, die wie aberzählige Sterne funkelten, die in seinen Augen tausendmal schöner waren, als die Leuchten der Engel. War kein Mondenschein, dann meinten wir gemeinsam, dass der Lampe Unserer Lieben Frau das Öl ausgegangen sei.

Eines Tages waren wir mit unseren Schafen auf einem Grundstück meiner Eltern, auf der Anhöhe, die sich Cabeço nannte. Gegen die Mittagszeit begann ein Regen, der feiner noch als der Tau war. Wir hatten gerade, gefolgt von unseren Schafen, den Hügel überquert und waren auf der Suche nach einem Unterschlupf in dem Felsengestein. Hier hatten wir dann den ganzen Vormittag verbracht, obwohl es gar nicht mehr regnete und auch die Sonne wieder hell und klar herab schien. Wir aßen unsere Frühstücksbrote und beteten dann unseren Rosenkranz. Nachdem wir unser Gebet beendet hatten, spielten wir mit den herumliegenden, kleinen Steinen. Es war schon eine ziemlich lange Zeit seit dem Beginn unseres Spiels verstrichen, als ganz unerwartet ein heftiger Windstoß aufkam und die Bäume regelrecht schüttelte. Wir blickten auf, um zu sehen, was sich da zusammenbraue, denn bis zu diesem Augenblick war das Wetter heiter. Nun sahen wir von einem Olivenbaum her einen Jüngling auf uns zukommen, der etwa 14-15 Jahre alt war, der weißer noch als der Schnee erschien, den die Sonne durchsichtig wie einen Kristall machte. Er war wunderschön. Bei uns angekommen, sagte er: „Fürchtet euch nicht! Ich bin der Engel des Friedens. Betet mit mir!“ Er kniete sich nieder, beugte seine Stirn zur Erde herab und ließ uns dreimal die Worte wiederholen: „Mein Gott, ich glaube an Dich, ich bete Dich an, ich hoffe auf Dich und ich liebe Dich. Ich bitte Dich um Verzeihung für jene die nicht glauben, Dich nicht anbeten, nicht hoffen und Dich nicht lieben.“ Danach erhob er sich und sagte: „So sollt ihr beten. Die Herzen von Jesus und Maria hören auf die Stimme eures Gebetes“. Seine Worte prägten sich unserem Gedächtnis ein, auf eine Weise, dass wir sie nie wieder vergessen konnten.

Viel später dann, es war an einem Sommertag, wir hatten unsere Mittagspause zu Hause verbracht und spielten danach im Garten und nahe beim Brunnen, der meinen Eltern gehörte und den wir „Arneiro“ nannten… Ganz plötzlich sahen wir dieselbe Lichtergestalt, denselben Engel, wie mir schien, nahe bei uns, der zu uns sagte: „Was tut ihr da? Betet, betet viel! Die Herzen Jesu und Mariens wollen euch Barmherzigkeit erweisen. Bringt ständig dem Allerhöchsten Gebete und Opfer dar.“
„Aber wie können wir Opfer bringen?“, fragte ich. „Bringt alles, was ihr könnt, dem Herrn als Opfer dar, als Akt der Wiedergutmachung für die Sünden, durch die Er verletzt wird, und als Bitte um die Bekehrung der Sünder. Gewinnt somit über euer Vaterland den Frieden. Ich bin sein Schutzengel, der Engel Portugals. Vor allem nehmt an und tragt mit Ergebung die Leiden, die der Herr euch schicken wird.“
Ehe der Engel verschwand, verdeutlichte er seine Aufforderung zur Buße und zur Bereitschaft kleiner Opfer: „Die kleinen Opfer der Kinder sind dem Herrn kostbar: denn sie sind machtvoll bei der Bekehrung der Bösen.“
Diese Worte prägten sich wie ein Licht unserem Geiste ein, das uns begreifen machte, wer Gott wirklich ist, wie sehr Er uns liebt und geliebt werden will, was der Wert des Opfers ist und bis zu welchem Punkt es Ihm wohlgefällig wäre, und wie Er durch dieses Opfer die Sünder bekehrte. Deshalb begannen wir von diesem Augenblick an, Gott alles aufzuopfern, was uns unangenehm war, ohne uns dabei anzustrengen, nach anderen Sühneopfern zu suchen, ausgenommen, dass wir über Stunden hinweg auf dem Boden gebeugt verharrten und das Gebet des Engels sprachen.

Francisco fragte mich nach den ersten Minuten der zweiten Erscheinung des Engels: „Du hast doch mit dem Engel gesprochen? Was hat er zu dir gesagt?“ – „Hast du das denn nicht gehört?“ – „Nein. Ich sah nur, dass er mit dir spricht. Ich habe das gehört, was du zu ihm gesagt hast, doch was er dir sagte, das weiß ich nicht.“ So erzählte ich ihm alles, was der Engel bei der ersten und der zweiten Erscheinung  gesagt hatte.

Es verging noch eine ziemlich lange Zeit. Eines Tages führten wir unsere Herde zur Weide auf ein Grundstück meiner Eltern. Am Hang zur Anhöhe des Cabeço stand ein Olivenbaum, den wir „Pregueira“ nannten und den ich schon einmal erwähnt hatte, ein wenig oberhalb der Valinhos. Nachdem wir unsere Nachmittagspause beendet hatten, beschlossen wir uns, auf die andere Seite des Hügels zu gehen, um dort in einer Grotte zu beten. Kaum dort angekommen, begannen wir, im knien und mit dem Gesicht zum Boden geneigt, das Gebet des Engels zu sprechen: „Mein Gott, ich glaube an Dich, ich bete Dich an, ich hoffe und ich liebe Dich…“. Ich erinnere mich nicht mehr, wie oft wir dieses Gebet wiederholt hatten, als wir feststellten, dass über uns ein unerklärbares Licht erstrahlte. Wir richteten uns auf, um zu sehen, was geschehen sei, als wir den Engel sahen, der in der linken Hand einen Kelch hielt, über dem eine Hostie schwebte. Aus der Hostie fielen einige Blutstropfen in den Kelch.
Der Engel ließ den Kelch und die Hostie schwebend in der Luft, kniete sich nahe bei uns nieder und ließ uns dreimal wiederholen: „Heiligste Dreifaltigkeit, Vater, Sohn und Heiliger Geist, ich bete Dich aus tiefster Seele an und opfere Dir auf den kostbaren Leib, das Blut, die Seele und die Gottheit unseres Herrn Jesus Christus, der in allen Tabernakeln der Welt gegenwärtig ist, zur Sühne für die Schmähungen, Sakrilegien und Gleichgültigkeiten, durch welche Er selbst beleidigt wird. Durch die unendlichen Verdienste Seines Heiligsten Herzens und durch die des Unbefleckten Herzens Mariens erflehe ich von Dir die Bekehrung der armen Sünder.“

Nachdem er so gebetet hatte und uns dreimal dasselbe Gebet wiederholen ließ, erhob sich der Engel, nahm den Kelch und die Hostie in seine Hände, reichte mir die konsekrierte Hostie und teilte das Blut im Kelch zwischen Francisco und Jacinta auf. Gleichzeitig sprach er: „Empfanget den Leib und trinkt das Blut Jesu Christi, der durch die undankbaren Menschen so furchtbar beleidigt wird. Sühnt ihre Verfehlungen und tröstet euren Gott.“ Erneut sich niederkniend und mit der Stirn zur Erde geneigt, wiederholte der Engel noch dreimal mit uns dasselbe Gebet: „Heiligste Dreifaltigkeit…“ und verschwand.
Wir sind noch lange Zeit in dieser niedergebeugten Haltung verblieben, immer wieder dieselben Worte wiederholend, und als wir uns erhoben, bemerkten wir, dass die Nacht schon hereinbrach, und es war Zeit, nach Hause zurückzukehren.

In den folgenden Tagen war die Kraft Gottes so intensiv in uns, dass wir uns von ihr fast vollkommen aufgesogen und erdrückt fühlten: uns schien es über längere Zeit, als würden wir unserer Sinne beraubt… Der Friede und die Glückseligkeit, die wir empfanden, waren groß, doch alles war sehr verinnerlicht: die Seele schien ganz auf Gott konzentriert. Es war aber auch eine große physische Schwäche spürbar, die uns nahezu zu Boden warf.
Als wir Tage später wieder zu unserem normalen Status fanden, fragte Francisco: „Der Engel hat dir doch die Kommunion gegeben, doch was hat er mir und Jacinta gegeben?“ – „Auch uns hat er die Kommunion gegeben“, antwortete Jacinta in einer unbeschreiblichen Glückseligkeit. „Hast Du es denn nicht gesehen, dass es das Blut war, das von der Hostie tropfte?“ – „Ich fühlte, dass Gott in mir war, doch weiß ich nicht, wie es geschah!“ sagte Francisco.
Nach und nach verflüchtigte sich diese Atmosphäre wieder, wir kehrten zu unseren Spielen zurück,  mit der selben Freude und Freiheit wie zuvor.

Am 13. Mai 1917 war ich mit Francisco und Jacinta oben auf der Anhöhe der Cova da Ira (das ist der Ort, wo sich heute die Basilika befindet) beim Spielen. Wir vergnügten uns und errichteten ein kleines Mauerchen aus Steinen um einen Strauch herum, als wir in einem ganz unerwarteten Augenblick so etwas wie einen Blitz sahen. Ich sagte zu meinen Vettern: „Es wäre besser, wir gingen alle schnell nach Hause, denn es blitzt und es könnte ein Gewitter aufkommen.“ – „Ja, gehen wir besser.“

Wir begannen, den Hang hinunter zu gehen und dabei unsere Schafe in Richtung Straße zu führen. Zur Hälfte den Hang hinabgestiegen, sahen wir jenseits einer großen Steineiche einen Blitz aufzucken, und nach einigen weiteren Schritten gewahrten wir auf einer sehr kleinen Steineiche eine weiß gekleidete Dame, strahlender noch als die Sonne, die ein Licht verbreitete, das noch klarer und durchdringender war, als Sonnenstrahlen es sind, wenn sie durch ein mit Wasser gefülltes Kristallglas leuchten. Wir blieben stehen, ganz überrascht von dieser Erscheinung. Wir standen der Dame so nahe, dass wir uns selbst in diesem Lichte befanden, das Sie entweder umgab oder von Ihr selbst ausging. Vielleicht in einer Entfernung von eineinhalb Metern. Nun sagte die Gottesmutter zu uns: „Habt keine Angst, ich will euch nichts Böses tun.“
„Wo kommen Sie her?“, fragte ich sie. „Ich komme vom Himmel.“ - „Und was wünschen Sie von mir?“ – „Ich bin gekommen, euch zu bitten, an sechs aufeinanderfolgenden Monaten und immer am 13. Tag und zur gleichen Stunde hierher zu kommen. Ich werde euch dann später sagen, wer ich bin und was ich will. Ich werde dann auch noch ein siebentes Mal kommen.“ – „Werde auch ich in den Himmel kommen?“ – „Ja, du wirst dorthin gehen!“ – „Und Jacinta?“ – „Auch sie.“ – „Und Francisco?“ – „Auch er, doch muss er noch viele Rosenkränze beten!“

Mir kam in den Sinn, Sie nach zwei Mädchen zu fragen, die kurze Zeit zuvor gestorben waren. Sie waren meine Freundinnen und kamen immer zu mir nach Hause, um von meiner ältesten Schwester zu lernen, Weberinnen zu werden. „Maria das Neves, ist sie schon im Himmel?“ – „Ja, sie ist im Himmel.“ – „Und Amelia?“ – „Sie bleibt bis zum Ende der Welt im Fegefeuer.“
Dann sagte Sie: „Wollt ihr euch Gott schenken und alle Leiden ertragen, die Er euch schicken wird, zur Wiedergutmachung für die Sünden, durch die Er beleidigt wird, und für die Bekehrung der Sünder zu bitten?“ – „Ja, das wollen wir!“ – „Dann werdet ihr viel zu leiden haben, doch die Gnade Gottes wird euer Trost sein.“
Es war noch während der letzten Worte, als sie erstmals die Hände öffnete, ein Licht somit auf uns übertragend, das so intensiv und eine Art Reflex warf, das aus den Händen austrat und unsere Brust und das Innerste unserer Seele durchdrang, in dem wir uns selbst in Gott sahen, der dieses Licht war. Viel klarer war dieses Licht, als wenn wir uns in dem besten aller Spiegel betrachtet hätten. Aus einem inneren Impuls heraus, der ebenso auf uns übertragen schien, fielen wir auf die Knie und wiederholten ganz innig: „Heiligste Dreifaltigkeit, ich bete Dich an. Mein Gott, mein Gott, ich liebe Dich im Allerheiligsten Sakrament.“ Als so ein erster Moment vergangen war, fügte die Gottesmutter hinzu: „Betet den Rosenkranz an jedem Tag, um den Frieden für die Welt und das Ende des Krieges zu erlangen.“ Dann begann Sie sich ganz sanft zu erheben, schwebte in östlicher Richtung aufwärts, bis sie in der Weite des Firmamentes verschwand.

Jacinta war es, die ihre große Freude darüber nicht zurückhalten konnte und unsere Abmachung brach, mit niemandem darüber zu sprechen. Noch an dem gleichen Nachmittag, als wir von dieser Überraschung noch sehr beeindruckt und in Gedanken versunken waren, rief Jacinta plötzlich mit Enthusiasmus aus: „Diese schöne Frau!“ – „Ich sehe es schon, dass du nicht dicht halten und es jemandem sagen wirst!“, sagte ich zu ihr. „Nein, ich werde es niemandem sagen, sei ganz beruhigt.“, entgegnete sie.
Am folgenden Tag, nachdem ihr Bruder  zu mir kam, um mir zu sagen, dass sie alles ausgeplaudert hatte, hörte sich Jacinta meine Vorwürfe am Abend der Veglia (Nachtwache) an, ohne dazu etwas zu sagen.
„Siehst du? Es ist wahr, was ich vermutete!“, sagte ich zu ihr. „Es war etwas in mir, das mir verbot, zu schweigen.“, antwortete sie darauf mit Tränen in den Augen. „Jetzt weine nicht und sag niemandem mehr etwas davon, was die Dame zu uns gesagt hat.“ – „Aber ich habe es doch schon gesagt!“ – „Was hast du gesagt?“ – „Ich habe gesagt, dass uns die Frau versprochen hat, uns in den Himmel zu bringen.“ – „Du bist also gleich gegangen, und hast darüber geredet?“ – „Verzeih mir. Ich werde niemandem mehr etwas sagen.“
Den Tag nach der ersten Erscheinung, als wir zu unserem Weideplatz kamen, setzte sich Jacinta sehr nachdenklich auf einen Stein. „Jacinta, komm spielen!“, sagten wir zu ihr. „Heute habe ich keine Lust, zu spielen.“ – „Warum willst du nicht spielen?“ – „Weil ich nachgedacht habe. Diese Dame hat zu uns gesagt, den Rosenkranz zu beten. Von nun an müssen wir aber das ganze „Gegrüßet seist Du, Maria“ und „Vater unser“ beten!“ An diesem Tag begannen wir damit, den Rosenkranz komplett zu beten.

Am 13. Juni feierte man in unserer Pfarrei das Fest des Hl. Antonius. Meine Mutter und meine Schwestern, die wussten, wie sehr mir Festlichkeiten gefielen, sagten zu mir: „Jetzt wollen wir es doch tatsächlich wissen, ob du bei dem Fest ausbleibst, um in die Cova d’Ira zu gehen, um dort mit jener Dame zu sprechen!“, und sie unterstrichen dieses mit einer verächtlichen Gebärde, die mich mehr verletzte, als es  alle anderen Beleidigungen hätten sein können. Gegen elf Uhr vormittags verließ ich das Haus, ging bei meinen Tanten vorbei, wo mich Francisco und Jacinta schon erwarteten, und so machten wir uns auf den Weg in die Cova d’Ira, in Erwartung auf den so sehr ersehnten Augenblick. An jenem Tag fühlte ich mich zutiefst betrübt. Vielleicht sagte deshalb die Dame zu mir, ich solle mich durch nichts entmutigen lassen, denn Sie würde mich niemals verlassen. Nachdem ich mit Francisco, Jacinta und den anderen dort anwesenden Personen den Rosenkranz gebetet hatte, sahen wir erneut dieses reflektierende und sich uns nähernde Licht (das wir als „Blitz“ bezeichneten), und unmittelbar darauf erschien die Gottesmutter auf der Steineiche, alles genau so, wie es im Mai geschehen war.
„Was wünschen Sie von mir?“, fragte ich wiederum. „Ich wünsche, dass ihr am 13. des kommenden Monats wieder hierher kommt, dass ihr täglich den Rosenkranz betet und das Lesen erlernt. Dann werde ich euch alles weitere sagen, das ich wünsche.“
Ich bat um die Heilung eines Kranken: „Wenn er sich bekehrt, wird er im Verlaufe  dieses Jahres gesund werden.“
„Ich möchte Sie bitten, uns mit in den Himmel zu nehmen.“ – „Ja, Jacinta und Francisco werde ich bald dorthin bringen, doch du wirst noch für einige Zeit hier  bleiben. Jesus will sich deiner bedienen, um Mich bekannt zu machen, damit man Mich liebt. Er möchte die Andacht zu Meinem Unbefleckten Herzen in der Welt begründen.“
„Dann werde ich ganz allein hier zurückbleiben?“, fragte ich ganz betrübt. „Nein, mein Kind. Leidest du sehr darunter? Verzage nicht. Ich werde dich niemals verlassen. Mein Unbeflecktes Herz wird deine Zuflucht sein und der Weg, den Ich dich führen werde, endet bei Gott.“

Noch während Sie sprach, öffnete Sie zum zweitenmal Ihre Hände und übertrug auf uns dieses immense Licht, in dem wir uns wie in Gott eingetaucht sahen. Jacinta und Francisco schienen in dem Teil des Lichtes zu sein, der himmelwärts zeigte, ich hingegen war in jenem Teil, der sich auf der Erde verbreitete. Über der rechten Handfläche der Gottesmutter war ein mit einer Dornenkrone umwundenes Herz, das von den Dornen durchbohrt war. Wir begriffen, dass es das Unbefleckte Herz Mariens war, verletzt durch die Sünden der Menschen, das nach Wiedergutmachung verlangte.
Inzwischen hatte sich die Nachricht über die Erscheinungen überall hin verbreitet. Meine Mutter wollte um jeden Preis, dass ich zugäbe, dass dies alles Lüge sei. Damit sie dies erreichen könne, blieb mir nichts erspart. Ich wurde gestreichelt, bedroht und zu guterletzt mit dem Besen verhauen.
Sie beunruhigte sich sehr über die Entwicklung der Ereignisse, sie hielt es für angezeigt, den besten Ausweg darin zu finden, indem sie mich zwang,  zur Beichte zu gehen und zu bekennen, dass ich gelogen hätte. Eines vormittags rief sie mich, um mir zu sagen, dass sie mich zum Herrn Pfarrer bringen werde: „Wenn du dann dort bist, wirst du dich niederknien und wirst ihm sagen, dass du gelogen hast, und du wirst ihn um Verzeihung bitten.“
Beim Vorbeigehen am Hause meiner Tante, trat meine Mutter dort für ein paar Minuten lang ein. Ich profitierte von dieser Gelegenheit, um Jacinta zu berichten, was geschehen ist. Sie sah mich in meinem ganzen Kummer, und ihr begannen ein paar Tränen über die Wangen zu laufen. Sie sagte zu mir: „Ich werde sofort gehen und Francisco rufen. Dann werden wir zu deinem Brunnen gehen, um zu beten. Wenn du dann zurückkommst, komm gleich zu uns!“

Wieder zurückgekommen, lief ich schnell zum Brunnen, die beiden waren dort niedergekniet und beteten. Sobald mich Jacinta sah, kam sie mir entgegengelaufen,  umarmte mich und fragte danach, wie ich reagiert hätte. Ich erzählte ihr alles ganz genau. Darauf sagte sie zu mir: „Siehst du? Wir dürfen niemals vor etwas Angst haben. Diese Frau wird uns immer helfen! Sie ist wirklich unsere Freundin!“


Eines Tages kamen drei Herren, um mit uns zu sprechen. Nach ihren recht unangenehmen Befragungen verließen sie uns wieder und sagten: „Gebt gut acht, was ihr über dieses Geheimnis zu sagen beschließt. Anderenfalls ist der Herr Verwalter dazu entschlossen, eure Tage zu beenden.“ Jacinta begann vor Freude über das ganze Gesicht zu strahlen und sagte: „ Oh, was für eine Freude! Ich liebe all zu sehr Unseren Herrn und Unsere Liebe Frau, und somit werden wir schnell dazu kommen, sie zusehen!“
Es war bald die Nachricht verbreitet, dass der Verwalter uns wirklich töten wollte. Eine meiner Tanten, die in Casais verheiratet war, kam mit der Entschlossenheit, uns mit zu sich nach Hause zu nehmen, und sagte: „Ich wohne in einem anderen Kanton (Bezirk), und dieser Verwalter kann dort nicht hinkommen und euch suchen.“  Doch ihr Plan war nicht zu realisieren, denn wir wollten nicht abreisen und entgegneten: „Wenn man uns tötet, dann macht das gar nichts. Dann gehen wir in den Himmel!“

Die Tage vergingen und es nahte der 13. Juli. Wenige Minuten nach unserer Ankunft bei der Steineiche in der Cova d’Ira und inmitten einer großen Menschenmenge sahen wir, noch während unseres Rosenkranzgebets, den üblichen Lichtschein und unmittelbar darauf die Gottesmutter auf dem Bäumchen erscheinen.
„Was wünschen Sie von mir?“, fragte ich. „Ich wünsche, dass ihr am 13. des kommenden Monats wiederum hierher kommt, dass ihr damit fortsetzt, täglich den Rosenkranz zur ‚Madonna des Rosenkranzes’ zu beten, um den Frieden in der Welt und das Ende des Krieges zu erlangen, denn nur Sie allein kann euch zu Hilfe eilen.“
„Ich möchte Sie darum bitten, uns zu sagen, wer Sie sind und darum, ein Wunder zu wirken, damit alle glauben, dass Sie uns wirklich erscheinen.“ – „Kommt weiterhin in jedem Monat hierher. Im Oktober werde ich euch sagen, wer ich bin, was ich wünsche, und dann werde ich ein Wunder wirken, das alle sehen werden und damit alle glauben.“ Und Sie fuhr fort: „Opfert euch für die Sünder und sprecht oft, vor allem dann, wenn ihr irgendein Opfer bringt: Oh Jesus, das tue ich aus Liebe zu Dir, für die Bekehrung der Sünder und als Sühne für die begangenen Sünden gegen das Unbefleckte Herz Mariens!“
Bei den letzten Worten öffnete Sie wiederum die Hände, wie in den beiden vorausgegangenen Monaten. Der Lichtstrahl, der ihnen wiederum entströmte, schien die Erde zu durchdringen. Dann sahen wir gleichsam ein Feuermeer, und eingetaucht in dieses Feuer die Dämonen und die Seelen, als ob die durchscheinend und schwarz oder bronzefarbig glühende Kohlen in menschlicher Gestalt seien, die in diesem Feuer schwammen, emporgeschleudert von Flammen, die unter Wolken von Rauch aus ihnen selbst hervorschlugen. Sie fielen nach allen Seiten, wie Funken bei Bränden, ohne Schwere und Gleichgewicht, unter Schreien und Heulen vor Schmerz und Verzweiflung, was vor Schrecken erbeben und erstarren ließ. Die Dämonen unterschieden sich durch die schreckliche und scheußliche Gestalt widerlicher, unbekannter Tiere, sie waren aber durchscheinend wie schwarze, glühende Kohlen.
Erschrocken und wie um Hilfe bittend, erhoben wir den Blick zu Unserer Lieben Frau, die voll Güte und Traurigkeit zu uns sprach: „Ihr habt nun die Hölle gesehen, wohin die Seelen der armen Sünder kommen. Um sie zu retten, will Gott die Andacht zu meinem Unbefleckten Herzen in der Welt begründen. Wenn sie (die Menschen) das tun, was Ich ihnen sage, werden viele gerettet und es wird Friede sein. Der Krieg geht seinem Ende entgegen. Doch wenn die Menschen nicht aufhören, Gott zu beleidigen, dann wird unter dem Pontifikat Pius XI. ein anderer, viel schlimmer Krieg beginnen. Wenn ihr eine Nacht erhellt sehen werdet durch ein unbekanntes Licht, dann wisset, dass dies das große Zeichen ist, das Gott euch gibt, dass Er nun die Welt für ihre Missetaten durch Krieg, Hungersnot, Verfolgung der Kirche und des Heiligen Vaters straft. Um das zu verhüten, werde ich kommen, um die Weihe Russland an mein Unbeflecktes Herz und die Sühnekommunion an den ersten Samstagen zu fordern. Wenn man auf meine Wünsche hört, wird Russland sich bekehren, und es wird Friede sein. Wenn nicht, dann wird es seine Irrlehren über die Welt verbreiten, wird Kriege und Verfolgungen der Kirche heraufbeschwören; die Guten werden gemartert werden, und der Heilige Vater wird viel zu leiden haben; viele Nationen werden vernichtet werden. Am Ende aber wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren, der Heilige Vater wird mir Russland weihen, das sich bekehren wird, und eine lange Zeit des Friedens wird der Welt geschenkt werden.“

Während der Erscheinung vertraute uns die Gottesmutter ein Geheimnis an, mit dem ausdrücklichen Verbot, es jemandem zu offenbaren. Nach der Erscheinung stürzte sich die Menge auf uns, uns mit Fragen bestürmend, und ich versuchte, sie zu befriedigen, wie es halt möglich war. Man fragte mich auch, warum ich so plötzlich so sehr traurig geworden sei. Ich antwortete, dass dies ein Geheimnis sei.

Nach dieser Erscheinung begann Jacinta oft zu sagen: „So viele Seelen kommen in die Hölle! Und von dort kommt man nicht mehr heraus?“ – „Nein!“ – „Auch nicht nach vielen, vielen Jahren?“ – „Nein! Die Hölle hat keine Ende!“ – „Auch das Paradies nicht?“ – „Siehst du denn nicht, dass diese ewig sind und niemals mehr enden?“ So  meditierten wir oft über die Hölle und über das Paradies. Die Höllenvision hatte uns einen solchen Schrecken eingejagt, dass alle Sühneopfer und Demütigungen nichts zu sein schienen, um zu genügen, die Seelen zu befreien. Jacinta setzte sich oft auf die Erde oder auf einen Stein, und sehr nachdenklich begann sie zu sprechen: „Die Hölle!... Die Hölle!... Wie schmerzt es mich um die Seelen, die in die Hölle gehen, um jene Personen, die, lebendig, wie Holz im Feuer brennen!“
Bebend vor Schrecken kniete sie dann nieder, faltete ihre Hände und wiederholte das Gebet, dass die Jungfrau uns gelehrt hatte: „Oh mein Jesus, verzeih uns unsere Sünden, bewahre uns vor dem Feuer der Hölle, führe alle Seelen in den Himmel, besonders jene, die Deiner Barmherzigkeit am meisten bedürfen.“

Hin und wieder rief sie dann mich und ihren Bruder, als sei sie gerade aus einem Traum aufgewacht: „Francisco! Francisco! Betet ihr  mit mir? Ich muss ganz viel beten, um die Seelen aus der Hölle zu befreien! Es kommen so viele dort hin! Was für einen Kummer bereiten mir die Sünder! Wenn ich ihnen die Hölle doch nur zeigen könnte!“
Manchmal drängte sie sich ganz nahe an mich und sagte: „Ich werde in den Himmel gehen, doch du musst noch hier bleiben. Wenn Unsere Liebe Frau dich noch hier lässt, sag allen, wie die Hölle ist, damit sie nicht mehr sündigen und dort nicht hinkommen.“ Wenn ich Jacinta so in Gedanken versunken sah, fragte ich sie: „Jacinta, woran denkst du?“ Nicht selten antwortete sie mir: „An den Krieg, der kommen wird, an die vielen Leute, die sterben werden und in die Hölle kommen! Wie traurig ist das alles! Wenn sie damit aufhören würden, Gott zu beleidigen, dann gäbe es keinen Krieg und niemand würde in die Hölle kommen.“

In der Folgezeit kamen zwei Priester, um uns zu befragen, und sie trugen uns auf, für den Heiligen Vater zu beten. Jacinta fragte, wer der Heilige Vater sei, und die beiden Priester erklärten uns, wer er ist und warum er es nötig habe, dass man für ihn bete. Nach dieser Begegnung empfand Jacinta eine große Liebe zu dem Heiligen Vater. Wenn sie ihre Opfer Jesus darbrachte, sprach sie: „Das ist für den  Heiligen Vater.“
Wenn wir einen Rosenkranz beendet hatten, fügte sie stets drei „Gegrüßet seist Du, Maria“ für den Heiligen Vater hinzu. Manchmal sagte sie dann: „Wie gern wollte ich den Heiligen Vater einmal sehen! Hier kommen so viele Leute her, der Heilige Vater kommt hingegen nie hierher.“ In ihrer kindlichen Unschuld dachte sie, der Papst könne wie jede andere Person reisen.

Eines Tages hielten wir unsere Mittagspause nahe dem Brunnen meiner Eltern. Jacinta hatte sich auf den Brunnenrand gesetzt, während Francisco mit mir ging, um wilden Honig in den Sträuchern  eines unweit gelegenen Bachufers zu suchen. Etwas später dann rief mich Jacinta und fragte: „Hast du den Heiligen Vater gesehen?“ – „Nein!“ – „Ich weiß nicht, was geschehen ist. Ich sah den Heiligen Vater in einem großen Haus, dort kniete er vor einem großen Tisch, er weinte und hielt sein Gesicht in den Händen verborgen. Vor dem Haus war eine  Menschenmenge. Einige warfen Steine auf ihn, andere riefen ihm Flüche zu und sagten dabei sehr gemeine Worte. Armer Heiliger Vater! Wir müssen viel für ihn beten!“

Ein andermal begaben wir uns zur Grotte des Cabeço.  Wir warfen uns nieder und sagten die Gebete des Engels. Nach einiger Zeit erhob sich Jacinta und rief mir zu: „Siehst du denn nicht die vielen Straßen, Wege und Felder, die voller Menschen sind, die vor Hunger weinen und nichts zu essen haben? Und den Heiligen Vater, der sich in einer Kirche vor dem Unbefleckten Herzen Mariens befindet und betet? Und die vielen Menschen, die mit ihm im Gebet sind?“
Von da an brachten wir Gott kein Opfer und keine Gebet dar, ohne diesen eine flehende Bitte für Seine Heiligkeit hinzuzufügen, und wir begannen, für den Heiligen Vater eine große Liebe zu haben.

Es war im Morgengrauen des 13. August. Die Menschen kamen bereits am Vortag und aus allen Himmelsrichtungen. Ein jeder wollte uns sehen, uns befragen und uns seine Bitten auftragen, damit wir diese der Heiligen Jungfrau mitteilten. Am Vormittag erreichte mich der Befehl des Bürgermeisters, das Haus meiner Tante aufzusuchen, da er mich dort erwarte. Mein Vater erhielt diese Anweisung und führte mich dorthin. Als wir dort angekommen waren, war der Bürgermeister dort in der Stube mit meinen Vettern im Gespräch. Er fragte uns aus und stellte neue Versuche an, uns zu zwingen, das Geheimnis preiszugeben. Er kündigte uns an, dass wir ganz bestimmt nicht mehr in die Cova d’Ira zurückkehren würden. Da alle seine Bemühungen erfolglos blieben, befahl er meinem Vater und meinem Onkel, uns in das Pfarrhaus zu bringen. Hier ließ er uns in seinen Wagen steigen und versicherte, dass er uns zur Cova bringen würde. Hingegen brachte er uns nach Vila Nova de Ourem, wo sowohl sein Haus, als auch das Dienstgebäude und das Gefängnis waren. Zunächst nahm er uns mit in sein Haus, versuchte sich in neuen Befragungen, stets mit Beteuerungen und Drohungen, dass er uns das Geheimnis entreißen würde. Als er feststellte, dass alle seine Bemühungen nutzlos waren, ließ er uns in den Kerker werfen.
Was Jacinta während dieser Gefangenschaft am meisten ängstigte, war das Verlassensein von unseren Eltern. Sie sagte mir mit Tränen überströmtem Gesicht: „Nicht meine und auch nicht deine Eltern sind gekommen, um uns hier zu sehen. Sie kümmern sich gar nicht mehr um uns!“ – „Weine nicht,“ sagte Francisco zu ihr, „wir opfern das alles Jesus für die Sünder auf.“  Und seine Augen und die kleinen Hände zum Himmel emporhebend, brachte er sein Opfer dar: „Oh mein Jesus, es ist aus Liebe zu Dir und für die Bekehrung der Sünder!“ Jacinta fügte hinzu: „Und für den Heiligen Vater und zur Sühne für die Sünden, die gegen das Unbefleckte Herz Mariens begangen werden.“
Bald hatte man uns getrennt, dann jedoch wieder in einer Gefängniszelle zusammengebracht, und nun sagte man, dass man sehr bald wiederkommen werde, um uns in siedendem Öl zu rösten. Jacinta ging zu einem Fensterchen, von dem aus man auf den Viehmarkt sah. Ich dachte, dass sie sich damit ablenken und lediglich hinausschauen wollte. Viel später erst gewahrte ich es, dass sie weinte.
Ich ging zu ihr und zog sie an mich heran, dabei fragte ich sie, weshalb sie weine: „Weil wir“, sagte sie schluchzend, „sterben werden, ohne zuvor noch unsere Eltern zu sehen.“ und die Tränen strömten ihr dabei nur so über das Gesicht. „Ich hätte ja auch nur“, so fügte sie hinzu, „meine Mutter nochmal sehen wollen!“ – „Du möchtest also nicht dieses Opfer für die Bekehrung der Sünder bringen?“ – „Doch, doch! Das will ich!“ und noch mit Tränen benetzten Wangen erhob sie die Augen zum Himmel und brachte ihr Opfer dar: „Oh mein Jesus! Aus Liebe zu Dir, für die Bekehrung der Sünder, für den Heiligen Vater und zur Wiedergutmachung aller Sünden, die gegen das Unbefleckte Herz Mariens begangen werden!“

Die Gefangenen, die bei diesem Geschehen anwesend waren, wollten uns trösten: „Jetzt seid vernünftig, sagt dem Verwalter euer Geheimnis! Was ist euch so wichtig daran, ob diese Frau dies will oder nicht?“ – „Oh nein! Dieses nicht!“, entgegnete Jacinta nachdrücklich, „Dann ziehe ich es eher vor, zu sterben.“
Wir beschlossen, den Rosenkranz zu beten. Jacinta nahm ein Kettchen mit einer Medaille von ihrem Hals, bat einen der Gefangenen darum, dieses an einem Nagel, der in der Wand eingeschlagen war, aufzuhängen, kniete sich davor nieder und begann zu beten. Die Gefangenen beteten mit uns, zumindest, soweit sie zu beten verstanden. Auch knieten sie sich nieder. Nach dem Rosenkranzgebet ging Jacinta wieder zu dem Fensterchen und weinte. „Jacinta! Also willst du doch nicht dein Opfer für Unseren Herrn bringen?“, fragte ich sie. „Aber ja doch, das will ich! Doch muss ich an die Mama denken und weine eigentlich, ohne es zu wollen.“
Nun, da uns die Heilige Jungfrau gesagt hatte, auch unsere Gebete und unsere Opfer zur Sühne für die Sünden gegen Ihr Unbeflecktes Herz aufzuopfern, dachten wir unter uns, dass ein jeder gemäß seiner Intention dies aufopfere: einer würde für die Sünder opfern, der zweite für den Heiligen Vater und der andere dann für die Wiedergutmachung der Sünden gegen das Unbefleckte Herz Mariens. Nachdem wir diese Überlegung angestellt hatten, sagte ich zu Jacinta, dass sie sich aussuchen solle, mit welcher dieser Intentionen sie beten wolle: „Ich bete für alle diese Anliegen, denn ich liebe sie alle drei sehr.“

Unter den Gefangenen war einer, der Mundharmonika spielte. Sie begannen nun zu spielen und zu singen, um uns abzulenken. Sie fragten uns, ob wir zu tanzen verstünden. Wir entgegneten, dass wir den „Fandango“ [ein Singtanz mit Kastagnettenbegleitung, ähnlich dem Flamenco; Anm. d. Übers.] und den „Vira“ [spanisch-traditioneller Tanz, ähnlich dem „Fandango“; Anm. d. Übers.] kennen. Nun wurde Jacinta zur Tanzpartnerin eines armseligen Diebes, der sie wegen ihrer noch so kleinen Statur beim Tanz auf seinem Arm trug. Dass Unsere Liebe Frau doch Mitleid mit seiner Seele haben möge und ihn bekehre!
Was mir während der Gefangenschaft am schmerzlichsten war und mich und meine Vettern besonders leiden ließ, war das völlige Verlassensein seitens unserer Familien. Bei der Heimkehr aus der Gefangenschaft, es war, wenn ich mich recht erinnere, am 15. August, befahl man mir zu Hause zur „Belohnung“ bei meiner Ankunft, sofort mit der Schafherde loszugehen und sie auf die Weide zu führen. Meine Tante und mein Onkel wollten mit Jacinta daheim bleiben, so schickten sie an ihrer Stelle ihren Bruder Giovanni. [Diese Erscheinung war dann erst am 19. August 1917! Anm. d. Red.]. Weil es schon recht spät gewesen war, blieben wir nahe bei unserem Ort, in den Valinhos. Spürend, dass sich etwas Übernatürliches  anbahnte und uns irgendwie berührte, ahnend, dass das Erscheinen der Gottesmutter bevorstand, die es bedauert hätte, wenn Sie Jacinta nicht hätte sehen können, baten wir Giovanni, dass er gehen und sie rufen möge. Da er nicht gehen wollte, boten wir ihm zwei  Groschen an. Daraufhin lief er los, um sie zu rufen. Inzwischen sahen ich und Francisco den Lichtreflex, den wir Blitz nannten, und einen Augenblick danach erreichte uns Jacinta. Wir sahen nun die Gottesmutter auf der Steineiche.

„Was wünschen Sie von mir?“ – „Ich wünsche, dass ihr am Dreizehnten zur Cova d’Ira kommt und dass ihr weiterhin täglich den Rosenkranz betet. Ich werde im letzten Monat ein Wunder wirken, damit alle glauben.“ - „Was sollen wir mit dem Geld machen, dass die Leute in der Cova d’Ira lassen?“ – „Man soll zwei Traggestelle anfertigen lassen. Du wirst mit Jacinta und zwei weißgekleideten Mädchen das eine tragen, Francisco mit drei Jungen seines Alters das andere, ebenfalls mit einem weißen Umhang bekleidet. Das Geld auf den Gestellen ist für das Fest Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz bestimmt.“ – „ Ich bitte Sie, einige Kranke zu heilen.“ – „Ja, ich werde einige im Lauf des Jahres gesund machen.“, sagte die Jungfrau, und wurde dabei sehr traurig und fügte hinzu: „Bedenkt, dass viele Seelen in die Hölle kommen, weil sich niemand für sie opfert und für sie betet. Betet, betet daher viel und bringt Opfer für die Sünder.“
Danach erhob Sie sich und schwebte wie gewöhnlich dem Osten zu. Von diesem Tag an beschlossen wir, uns dazu zu verpflichten, Opfer für die Sünder zu bringen, wie es die Heilige Jungfrau von uns erbeten hat.

Jacinta sagte: „Aber wie sollen wir Opfer bringen?“ Francisco entdeckte sofort ein passendes Opfer: „Geben wir unsere Brote den Schafen und verzichten wir auch auf die Nachmittagspause!“ Wenige Minuten darauf waren all unsere mitgebrachten Vorräte unter den Schafen verteilt und wir verbrachten nun einen Tag des Fastens, strenger noch als die Kartäuser. Die Jungen zweier Familien aus Moita gingen bettelnd von Haus zu Haus. Eines Tages begegneten wir ihnen beim Hüten unserer Herden. Als Jacinta sie sah, sagte sie: „Geben wir doch unsere Vesperbrote diesen armen Jungen, um die Sünder zu bekehren!“ Und sie rannte los und brachte ihnen ihre belegten Brote. So dachten wir auch daran, irgendwelche andere Prüfungen zu ertragen. Jacinta fragte dann stets: „Hast Du Jesus auch gesagt, dass es aus Liebe zu ihm ist?“ Wenn ich dies verneinte, sagte sie: „Also schön, dann werde ich selbst es Ihm sagen!“ Und ihre kleinen Händchen faltend, den Blick zum Himmel gerichtet, sagte sie: „Oh Jesus, es ist aus Liebe zu Euch und zur Bekehrung der Sünder.“

Als sich die Mittagsstunde des 13. September 1917 näherte, ging ich zusammen mit Jacinta und Francisco inmitten vieler Leute, die uns nur mühevoll vorankommen ließen. Die Straßen waren mit Menschen angefüllt. Alle wollten uns sehen und mit uns sprechen. Es schien hierbei keine Rücksicht zu geben. Viele Personen, selbst feine Damen und Herren, drängten sich vor, durchbrachen die Menge, die uns umgab, warfen sich vor uns auf die Knie und baten uns, der Gottesmutter ihre Nöte vorzubringen. Andere wiederum, die es nicht schafften, bis zu uns hervorzudringen, schrien uns von weitem zu: „Um der Liebe Gottes willen! Sagt der Gottesmutter, sie möge meinen Sohn heilen, der ein armer Gelähmter ist!“, dann wiederum: „Sie möge meinen Sohn heilen, der blind ist!“ und: „Den meinen, er ist taub!“, „Dass Sie meinen Mann nach Hause zurück bringen möge!“, ,, …und meinen Sohn, der in den Krieg ausgerückt ist!“, „Dass Sie einen Sünder bekehre!“, „Dass Sie mir Gesundheit verleihe, denn ich habe Tuberkulose!“ usw. usw.
Hier fühlte man alles Elend der Menschheit. Einige riefen von den Bäumen herunter und von den Mauern, auf die sie gestiegen waren, um uns vorbeigehen zu sehen.
Jetzt, wenn ich im Neuen Testament über die Szenen auf den wundervollen Wegen Jesu in Palästina lese, erinnert es mich irgendwie daran, als hätte mich der Herr dabei anwesend sein lassen, obwohl ich noch ein so kleines Mädchen war.

Endlich gelangten wir in der Cova di Ira nahe der Steineiche an. Wir begannen, zusammen mit den Leuten den Rosenkranz zu beten. Kurze Zeit später sahen wir das reflexartige Licht und dann unmittelbar darauf die Gottesmutter auf der Steineiche: „Hört nicht auf damit, den Rosenkranz für das Ende des Krieges zu beten! Im Oktober werden auch der Herr, die Schmerzensreiche Jungfrau, die Madonna vom Karmel und der Heilige Josef mit dem Jesuskind kommen, um die Welt zu segnen. Gott ist erfreut über eure Opfer, doch möchte Er nicht, dass ihr mit dem Strick um den Leib gegürtet schlaft. Tragt ihn nur tagsüber.“ – „Man hat mich darum gebeten, Sie um einige Dinge zu bitten: die Heilung einiger Kranker und die eines Taubstummen.“ – „Ja, einige werde ich heilen. Andere nicht. Im Oktober werde ich ein Wunder wirken, damit alle glauben mögen.“ Und indem Sie diese Worte sprach, erhob Sie sich wieder und verschwand auf die gleiche Weise, wie bei den vorhergehenden Malen.

 Wir befleißigten uns sehr, Opfer für die Sünder zu bringen und ließen dazu auch nicht die kleinste Gelegenheit aus, die sich dazu bot. Vor allem Jacinta schien unersättlich im Opferbringen zu sein. Einmal hatte uns ein Nachbar seine Wiese als Weidegrund für unsere Herde angeboten, doch dieser Ort war sehr weit entfernt, und es war mitten in einem heißen Sommer. Meine Mutter nahm das Angebot, das uns so großzügig gemacht wurde, an und schickte uns dorthin. Der Tag war herrlich, doch die glühende Sonne schien alles verbrennen zu wollen. Der Durst meldete sich, doch gab es keinen Tropfen Wasser zu trinken! Zu anfangs opferten wir großherzig dies für die Bekehrung der Sünder auf, doch, kaum dass die Mittagszeit vorüber war, konnte man nicht mehr widerstehen. So machte ich meinen Begleitern den Vorschlag, zu einem nahe gelegenen Ort zu gehen und um etwas Wasser zu bitten. Beide waren damit einverstanden. So ging ich los, klopfte dann an die Tür eines Hauses, in dem eine alte Frau wohnte. Sie brachte mir einen Krug mit Wasser und auch ein Stück Brot dazu, das ich dankbar annahm. So eilte ich zurück, um es mit meinen Gefährten zu teilen. Ich gab das Brotstück Francisco und sagte ihm, er solle trinken: „Ich will nicht trinken.“, antwortete er. „Warum?“ – „Ich will für die Bekehrung der Sünder leiden.“ -
„Trink du, Jacinta!“ – „Auch ich will ein Opfer für die Bekehrung der Sünder bringen.“ So goss ich das Wasser in die Mulde eines Steines, damit es die Schafe trinken konnten und ging, um mit dem leeren Krug auch das Brotstück seiner Besitzerin wieder zurückzugeben.

Wir hatten auch die Gewohnheit, hin und wieder zum Herrn eine Novene zu beten, oder auch die, einen ganzen Monat lang nichts zu trinken. Einmal brachten wir dieses Opfer während des gesamten Monats August, als die Hitze zum Ersticken war.

Ein andermal kam unsere Tante und rief uns, damit wir von den Feigen essen, die sie uns nach Hause brachte, und die uns förmlich das Wasser im Munde zusammenlaufen ließen. Jacinta setzte sich erfreut zu uns, nahe dem Korb und ergriff die erste Frucht, um sie zu essen. Doch dann erinnerte sie sich und sagte: „Oh, es ist wahr! Heute haben wir noch kein Opfer für die Sünder gebracht! Tun wir es hiermit!“. Und sie legte die Feige in den Korb zurück, um ihr Opfer zu erbringen. Auch wir rührten keine dieser Feigen an.

Eines Tages gingen wir an einen Ort, der voller Steineichen und Eichen stand. Die Eicheln waren noch leicht grünfarben, deshalb sagte ich zu Jacinta, dass wir sie essen könnten. Francisco kletterte auf eine der Steineichen, um sich die Taschen mit Eicheln zu füllen. Jacinta hingegen sammelte die Früchte der Eichelbäume auf, denn diese waren viel bitterer, und sie wollte ihr Opfer auf diese Weise bringen. So haben wir an diesem Tage diese köstliche Nahrung genossen. Jacinta blieb bei ihrem gewohnten Opfer: sie sammelte die gewöhnlichen Eicheln, die unter den Eichen lagen oder aß die Oliven von den Olivenbäumen. Einmal sagte ich zu ihr: „Jacinta, iß doch nicht diese, sie sind all zu bitter!“ – „Genau deshalb liebe ich  es, sie zu essen, um die Sünder zu bekehren..“ Doch nicht nur darin bestanden unsere Fastentage. Wir hatten beschlossen, unser Frühstück den kleinen Bettlern von Moita jedesmal, wenn wir ihnen begegneten, zu geben. Und die armen Jungen, glücklich über unser Almosen, warteten unterwegs schon auf uns. Jedesmal, wenn wir sie sahen, eilte Jacinta voraus, um ihnen unsere Tagesration zu geben, war damit vollkommen zufrieden gestellt, als würde es ihr an nichts weiterem mangeln.

Ein andermal wiederum gingen wir mit unseren Schafen einen Pfad entlang, auf dem wir das Stück eines Seiles fanden. Zum Scherz hob ich es auf und wickelte es mir fest um den Arm. Bald darauf bemerkte ich, dass mir der Strick Schmerzen bereitete. So sagte ich zu meinen beiden Vettern: „ Seht nur! Dieser Strick bereitet mir Schmerzen! Wir könnten ihn als Gürtel umlegen und dieses zum Opfer Gott darbringen!“ Die beiden armen Bettlerjungen wollten dies auch tun, und so teilten wir den Strick untereinander auf. Als Messer diente uns ein kantiger Stein, mit dem wir auf das Seil und einen darunterliegenden Stein schlugen. War es die Dicke und die Rauheit des Seiles, oder war es, dass wir es manchmal zu eng schnürten? Dieses Instrument ließ uns bisweilen grausig leiden! Manchmal liefen Jacinta Tränen deshalb herab, doch wenn ich ihr dann sagte, sie solle den Strick ablegen, entgegnete sie: „Nein! Ich will dieses Opfer dem Herrn zur Sühne und zur Bekehrung der Sünder darbringen!“

Am 13. Oktober 1917 verließen wir sehr frühzeitig das Haus, befürchtend, es könne auf dem Wege zu Verzögerungen kommen. Eine enorme Volksmenge war trotz strömenden Regens gekommen. Meine Mutter, die fürchtete, es werde der letzte Tag meines Lebens sein, und der die Ungewissheit über das Kommende das Herz zerriß, wollte mich begleiten. Der lange Weg, die Ereignisse im vorausgegangenen Monat, die immer zunehmendere   Zahl der Leute und all diese Emotionen. Nicht einmal der Schlamm auf den Wegen verhinderte es, dass die Menschen sich in tief demütiger und flehender Haltung niederknieten. Als ich in der Cova d’Ira bei der Steineiche angelangt war, trieb mich instinktiv etwas dazu, den Leuten zu sagen, dass sie vor dem Rosenkranzgebet ihre Regenschirme schließen sollten. Unmittelbar darauf sahen wir den Lichtreflex und gleich darauf die Gottesmutter auf der Steineiche.
„Was wünschen Sie von mir?“ – „Ich möchte dir sagen, dass man hier zu meiner Ehre eine Kapelle errichten soll, ich bin die Madonna des Rosenkranzes, man soll hier weiterhin täglich den Rosenkranz beten. Der Krieg geht zu Ende und die Soldaten werden in Kürze nach Hause zurückkehren.“ – „Ich wollte Sie um vieles bitten: ob Sie einige Kranke heilen und einige Sünder bekehren möchten.“ – „Einige ja, andere nicht. Sie müssen sich bessern und um die Vergebung ihrer Sünden bitten.“ Nun überschattete Traurigkeit das Antlitz der Gottesmutter: „Sie sollen Gott unsern Herrn nicht weiterhin beleidigen, der schon so sehr beleidigt worden ist.“ Indem Sie die Hände öffnete, die wie das Sonnenlicht erstrahlten,  erhob Sie sich langsam und schwebte lichtumflutet davon. Zugleich rief ich laut aus, man solle die Sonne betrachten. Dabei war es nicht meine Absicht, die Aufmerksamkeit der Leute auf mich zu lenken. Ich tat es, weil ich mich von einer inneren Inspiration dazu angetrieben fühlte.

Kaum war die Gottesmutter am Firmament entschwunden, sahen wir neben der Sonne den Heiligen Josef mit dem Jesuskind erscheinen, und neben ihm die Gottesmutter weiß gekleidet unter einem blauen Umhang. Es schien, als segneten der Heilige Josef und das Jesuskind die Welt, mit Gesten in Kreuzesform, die sie mit der Hand machten. Kurz darauf verschwand diese Vision, ich sah stattdessen den Herrn und die Gottesmutter, die mir als die Schmerzensreiche erschien. Der Herr schien die Welt zu segnen und tat dies auf die gleiche Weise wie der Heilige Josef. Es verschwand auch diese Vision, und erneut sah ich die Gottesmutter, die nun sehr der Madonna vom Karmel ähnelte.

Dies also ist die Geschichte der Erscheinungen der Gottesmutter in der Cova d’Ira. Lucia sagt auch: „Die Worte der Gottesmutter bei den Erscheinungen, die sich besonders in meinem Herzen einprägten, war Ihre Bitte: ‚Dass sie unseren Herrn nicht länger beleidigen, der schon so sehr beleidigt worden ist!’ Was für ein bitteres Klagen und was für eine liebevolle Bitte! Oh, wenn ich dieses nur in die Welt hinaus rufen könnte und wenn doch alle Kinder der Himmlischen Mutter den Klang Ihrer Stimme hören könnten!“

LUCIA ERZÄHLT ÜBER DAS LEBEN DER DREI HIRTENKINDER NACH DEN ERSCHEINUNGEN

JACINTA

Ich werde nun beginnen, das aufzuschreiben, was mich der Herrgott über Jacinta erinnern lässt. Sie hatte stets ein ernstes, gemäßigtes und liebenswürdiges Erscheinen, das die Gegenwart Gottes in allem, was sie tat, empfinden machte, wie es bei Menschen ist, die eine große Tugend besitzen. Ich habe bei ihr niemals mehr eine übertriebene Leichtfertigkeit oder Begeisterungsfähigkeit für Schmuckwerk und Vergnügungen gesehen, wie sie Kindern sonst eigen sind. Dies alles war erst nach den Erscheinungen so, zuvor wollte sie stets die Nummer eins sein und hatte ihre Launen.
Für den Tanz hatte sie eine ganz besondere Vorliebe und auch künstlerische Begabung. Es genügte manchmal, dass sie irgendein Instrument der Hirten spielen hörte, um sofort mit dem Tanzen zu beginnen, das tat sie ganz von sich allein. Nach den Erscheinungen sagte sie zu mir beim Herannahen des Karnevals: „Ich werde jetzt nicht mehr tanzen.“ – „Und weshalb?“ – „Weil ich dieses Opfer dem Herrn darbringen will.“ Und da wir es stets waren, die die Festlichkeiten unter den Kindern organisierten, endeten die Tänze bald, die es nur zu diesen Gelegenheiten gab.

Meine Mutter hatte im Einverständnis mit meiner Tante eines Tages beschlossen, die Schafherde zu verkaufen und uns in die Schule zu schicken. In den Pausen ging Jacinta, das Allerheiligste zu besuchen, doch sagte sie zu mir: „Ich hatte es mir schon fast gedacht. Kaum bin ich in der Kirche, gibt es sofort eine Menge Leute dort, die mir Fragen stellen! Es würde mir viel mehr gefallen, die ganze Zeit allein zu sein, um zu dem verborgenen Jesus zu sprechen, aber sie lassen einen ja nie in Ruhe!“

Sie liebte das Herz der Gottesmutter besonders sehr, das jede Gnade gewährte, um die man bat.
Einmal begegneten wir einer armen Frau, die sich weinend vor Jacinta niederkniete und sie darum bat, ihr von der Gottesmutter die Heilung von einer furchtbaren Krankheit zu erbitten. Als Jacinta diese Frau so verzweifelt vor sich knien sah, erfasste sie ihre zitternden Hände und versuchte, ihr auf die Beine zu verhelfen. Als ihr das aber nicht gelingen  konnte, kniete auch sie sich nieder und betete drei „Gegrüßet seist Du, Maria“ mit der Frau. Dann sagte sie zu ihr, sie solle sich erheben, die Gottesmutter habe sie geheilt. Sie vergaß nicht, täglich für diese Frau zu beten, solange, bis diese nach einiger Zeit dann nicht mehr kam, um der Gottesmutter für ihre Heilung zu danken.

Ein anderes Mal war es ein Soldat, der wie ein kleines Kind weinte. Er hatte den Befehl erhalten, in den Krieg zu ziehen, ließ eine bettlägerige kranke Frau und drei kleine Kinder zu Hause zurück. Er bat entweder um die Genesung seiner Frau oder um die Aufhebung seines Einberufungsbefehls. Jacinta forderte ihn auf, mit ihr zusammen den Rosenkranz zu beten. Dann sagte sie zu ihm: „Weinen sie nicht mehr. Die Gottesmutter ist ja so gut! Ganz sicher wird sie ihnen die Gnaden schenken, um die sie Sie bitten!“ Und sie vergaß von da ab nicht mehr ihren Soldaten, für den sie am Ende eines jeden Rosenkranzes noch ein „Gegrüßet seist Du, Maria“ betete. Nach ein paar Monaten kam er zusammen mit seiner Frau und den drei kleinen Kindern, um der Gottesmutter für die beiden Gnaden zu danken, die er erhalten hatte. Aufgrund eines Fiebers, das ihn einen Tag vor seiner Abberufung heimsuchte, wurde er vom Militärdienst befreit und seine Frau, so erzählte er es selbst, war durch ein Wunder der Gottesmutter geheilt worden.

Eine andere Gnade erlangte meine Tante Vittoria, die einen Sohn hatte, der das elterliche Haus seit langer Zeit verlassen hatte, von dem niemand mehr etwas wusste. Sehr besorgt kam die Tante eines Tages nach Aljustrel, um mich darum zu bitten, für diesen Sohn zur Gottesmutter zu beten. Da sie mich nicht antraf, bat sie Jacinta, ihr zu versprechen, für den Sohn zu beten. Einige Tage darauf kehrte der Sohn nach Hause zurück, um seine Eltern um Verzeihung zu bitten. Dann ging er nach Aljustrel, um über sein unglückliches Leben zu berichten, und er sagte, dass er all das, was er daheim gestohlen hatte, verbraucht hatte, einige Zeit herumgeschlendert war wie ein Vagabund, bis er ohne ersichtlichen Grund in das Gefängnis von Torres Novas geworfen wurde. Eines nachts gelang es ihm, auszubrechen und im Dunkeln fliehend in die Berge und in unbekannte Pinienwälder zu gelangen. Er glaubte sich vollkommen verloren, war von furchtbarer Angst, im Dunkel der Nacht wieder aufgegriffen und in den Kerker zurückgebracht zu werden, terrorisiert, da erinnerte er sich an ein einziges Gebet: er fiel auf die Knie und begann zu beten. Nach einigen Minuten erschien ihm Jacinta, nahm ihn bei der Hand und führte ihn zur Landstraße, die nach Alqueidao a Reguendo führte, ihm durch Gesten deutend, auf dieser Straße fortzusetzen. Am Morgen fand er den Weg von Boleiros, erkannte den Ort, und tief bewegt lenkte er seine Schritte zum väterlichen Hause.
Ich fragte Jacinta, ob es wahr sei, dass sie zu ihm gegangen sei. Sie verneinte dies. Sie wisse nicht einmal, wo sich diese Pinienwälder und Berge befänden, in denen sich der junge Mann verlaufen hatte. „Ich habe lediglich gebetet und zur Gottesmutter für ihn gefleht, aus Mitgefühl zu Tante Vittoria.“ – „Und wie denkst du es, dass dies alles so geschehen ist?“, fragte ich sie. „Das weiß ich nicht. Doch der Herr weiß es.“

So vergingen für Jacinta die Tage.
Am 23. Dezember 1918 fesselte ein Spanisches Fieber Jacinta ans Bett, zusammen mit ihrem größeren Bruder war sie erkrankt. Kurz bevor sie erkrankte, sagte sie zu mir: „Ich habe tüchtige Kopfschmerzen und großen Durst! Doch will ich nicht trinken, für die Bekehrung der Sünder.“ Während der Erkrankung meiner beiden kleinen Vettern nutzte ich jeden freien Moment, der mir von der Schule und den sonstigen Aufgaben blieb, um zu ihnen zu eilen. Eines Tages, als ich auf meinem Schulweg an ihrem Hause vorbei ging und kurz hineinsah, sagte mir Jacinta: „Bitte, könntest du den verborgenen Jesus besuchen? Sag ihm, dass ich Ihm gut sein will und Ihn sehr liebe!“ Andere Male sagte sie: „Sag Jesus, dass ich Ihm viele Grüße schicke!“ Wenn ich zuerst bei ihr ins Zimmerchen zu Besuch kam, dann sagte sie: „Jetzt geh erst zu Francisco! Ich bringe das Opfer, hier noch etwas länger allein zu sein!“

Einmal brachte ihr ihre Mutter eine Tasse Milch und bat, sie solle sie trinken. „Ich möchte sie nicht, Mama.“, entgegnete Jacinta und schob mit ihrem kleinen Händchen die Tasse von sich weg. Meine Tante drängte jedoch darauf, dass sie die Milch trinke, aber dann zog sie sich zurück und sagte: „Ich weiß einfach nicht, wie ich sie dazu bringen kann, irgendetwas zu sich zu nehmen. Sie hat einen solchen Ekel vor allem!“ Sobald wir beide dann allein waren, fragte ich sie: „Wie kommt es, dass du deiner Mama so unfolgsam bist, statt auch dieses dem Herrn aufzuopfern?“ Auf diese Worte hin kamen ihr die Tränen, die ich ihr von den Wangen zu wischen die Ehre hatte, und sie sagte zu mir: „Daran habe ich diesmal gar nicht gedacht!“
Sie rief die Mutter, bat sie um Verzeihung und sagte, sie hätte gern von dem getrunken, was sie ihr gebracht hatte. Die Mutter brachte ihr die Tasse mit der Milch. Sie trank die Tasse aus, ohne dabei auch nur die geringste Abscheu erkennen zu lassen. Danach sagte sie zu mir: „Wenn du nur wüsstest, wieviel Überwindung mich das kostete!“

Einige Tage später sagte sie zu mir: „Es fällt mir immer schwerer, Milch oder Suppenbrühen zu mir zu nehmen, doch sage ich nichts dazu. Ich trinke alles aus Liebe zum Herrn und zum Unbefleckten Herzen Mariens, unserer lieben Himmelmama.“Einmal fragte ich sie: „Geht es dir etwas besser?“ – „Du weißt doch, dass es mir nicht besser geht, ich habe große Schmerzen in der Brust! Doch ich sage nichts. Ich leide für die Bekehrung der Sünder.“

Eines Tages ließ sie mich rufen und bat, dass ich schnell kommen möge. Ich lief so schnell ich konnte zu ihr, da sagte sie mir: „Die Gottesmutter ist zu uns gekommen und sagte, dass Sie sehr bald kommen werde, um Francisco in den Himmel zu bringen. Und mich fragte Sie, ob ich weiterhin noch andere Sünder bekehren wolle. Ich sagte Ihr „ja“. Darauf entgegnete Sie, dass ich in ein Krankenhaus käme und dort viel leiden würde. Dass ich für die Bekehrung der Sünder, zur Wiedergutmachung der Sünden gegen das Unbefleckte Herz Mariens und aus Liebe zu Jesus leiden würde. Ich fragte Sie, ob du mit mir kommen könntest. Da sagte Sie „nein“. Aber gerade das ist es, was mir das meiste abverlangt. Sie sagte, dass mich die Mama ins Krankenhaus bringen wird, doch dann werde ich dort allein sein!“ Sie blieb für einige Momente recht nachdenklich, dann fügte sie hinzu: „Wenn du nur mit mir kommen könntest! Es ist für mich so schlimm, ohne dich dorthin zu gehen!“

Als für ihren Bruder der Moment  gekommen war, in den Himmel zu gehen, trug sie ihm allerhand auf: „Bringe dem Herrn und der Gottesmutter viele Grüße, sage ihnen, dass ich alles erleiden werde, was sie wollten, um die Sünder zu bekehren und die Beleidigungen zu sühnen, die dem Unbefleckten Herzen Mariens angetan werden!“
Sie litt sehr an dem Tod ihres Bruders. Sie blieb immer wieder und für lange Zeit nachdenklich, und wenn man sie fragte, woran sie gerade denke, antwortete sie: „An Francisco. Ach, wenn ich ihn doch nur sehen könnte!“ und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

In den ersten Julitagen des Jahres 1919 rückte auch für sie der Moment heran, wo sie nach Vila Nova ins Krankenhaus gebracht wurde, in dem sie nun tatsächlich viel zu leiden hatte. Jedesmal, wenn die Mutter sie besuchte, nahm sie mich mit. Bei solcher Gelegenheit fragte ich, ob sie viel zu leiden hätte. „Ja, ich leide, doch ich leide gern, denn es ist aus Liebe zu unserem lieben Gott, aus Liebe zum Unbefleckten Herzen Mariens, für die Sünder und für den Heiligen Vater.“ Dieser war ihr ein besonderer Inbegriff, über den sie oft sprach.

Sie kam noch einmal für einige Zeit nach Hause zu den Eltern, das war gegen Ende August 1919. Sie hatte eine große, offene Wunde an der Brust, deren Versorgung sie ohne ein Jammern ertrug, sie zeigte auch nicht die geringste Unduldsamkeit dabei. Was ihr hingegen sehr schwer fiel, waren die ständigen Besuche und die Befragungen durch die Leute zu ertragen, die sie aufsuchten und vor denen sie sich nun nicht mehr verstecken konnte. „Ich opfere auch dieses für die Sünder auf“, sagte sie mit Ergebung.

Erneut stattete die Heilige Jungfrau Jacinta einen Besuch ab, um ihr dabei weitere Kreuze und Leiden anzukündigen. Jacinta ließ es mich wissen und sagte: „Sie hat zu mir gesagt, dass ich nach Lissabon in ein anderes Krankenhaus gehen werde, dass ich dich und auch meine Eltern nicht mehr wiedersehen werde. Dass ich, nachdem ich viel gelitten haben werde, ganz allein sterben werde. Dass ich jedoch keine Angst haben solle, den Sie selbst werde kommen, um mich in den Himmel zu bringen.“ Weinend umarmte sie mich und sprach: „Ich werde dich nie mehr wiedersehen. Dorthin wirst du auch nicht kommen, um mich zu besuchen. Bete viel für mich, die ich dort allein sterben werde.“ – „Denke nicht so sehr darüber nach.“, sagte ich zu ihr. – „Lass mich darüber nachdenken! Denn je mehr ich daran denke, um so mehr leide ich, und ich will leiden, aus Liebe zum Herrn und zu den Sündern. Und außerdem interessiert mich das alles gar nicht! Die Gottesmutter selbst wird kommen und mich nehmen und in den Himmel bringen!“

Einige Male fragte sie mich: „So werde ich also sterben, ohne den verborgenen Jesus zu empfangen? Wenn Ihn mir doch die Gottesmutter bringen könnte, wenn Sie mich holen kommt!“
Wenn ihre Mutter betrübt darüber war, sie so sehr krank zu sehen, sagte sie zu ihr: „Sei nicht traurig, Mama, ich gehe in den Himmel! Dort droben werde ich viel für dich beten.“ Oder sie sagte: „Weine nicht, mir geht es doch gut!“ Wenn sie gefragt wurde, ob sie etwas brauche, antwortete sie: „Danke vielmals, ich brauche wirklich nichts.“ Doch wenn man sie wieder verließ, sagte sie: „Ich habe solchen Durst. Aber ich will nichts trinken. Ich opfere dies für Jesus und die Sünder.“

Nun war der Tag der Abreise nach Lissabon gekommen, es war der 21. Januar 1920. Im Moment des Abschieds zerriß es ihr fast das Herz. Schluchzend blieb sie eine Zeit lang an meinen Hals gedrückt und sagte: „Wir werden uns nie mehr wiedersehen! Bete viel für mich, solange, bis ich in den Himmel gehen werde. Dort droben werde dann ich viel für dich beten. Sprich niemals über das Geheimnis, zu niemandem! Auch dann nicht, wenn sie dich umbringen wollen! Liebe Jesus und das Unbefleckte Herz Mariens ganz viel, und bringe viele Opfer für die Sünder.“

Von Lissabon sandte sie mir die Nachricht, dass die Gottesmutter schon zu ihr gekommen sei, um sie zu sehen, dass sie ihr gesagt habe, sie werde am 20. Februar um 22:30 Uhr sterben. Sie trug mir nochmals auf, stets sehr gut zu sein.
Das ist es, woran ich mich aus dem Leben Jacinta’s erinnere. Ich bitte unseren lieben Gott, er möge gnädig sein und diese Niederschrift akzeptieren, um in den Seelen die Flamme der Liebe zu den Herzen Jesu und Mariens zu entzünden.

FRANCISCO

Die Freundschaft, die mich mit Francisco verband, bestand außer in dem Verwandtschaftsverhältnis auch die der Gnade, die sich der Himmel uns zu schenken würdigte.

Francisco schien nur in der Ähnlichkeit der Gesichtszüge und betreffend der Ausübungen in der Tugend der Bruder Jacinta’s zu sein. Er war hingegen nicht launenhaft und auch nicht so aufgeweckt wie sie. Ganz im Gegenteil hatte er ein sehr friedfertiges und nachgiebiges Wesen.
Wenn bei unseren Spielen jemand darauf beharrte, dass er auf seine Siegerrechte verzichtete, gab er ohne zu murren nach und beschränkte sich lediglich darauf, zu sagen: „Glaubst du, dass du gewonnen hast? Also gut! Für mich ist das nicht so wichtig!“

Er lächelte stets, war freundlich und nachsichtig, er spielte mit allen Kindern, ohne dabei Ausnahmen zu machen. Er schalt nie jemanden. Lediglich geschah es manchmal, dass er sich zurückzog, wenn er bemerkte, dass etwas nicht so gut auszugehen schien.

Nach den Erscheinungen der Gottesmutter liebte er immer mehr die Einsamkeit. Die erste Erscheinung hinterließ in uns einen Frieden und eine ausgelassene Freude, und nichts verhinderte es, dass wir über das, was geschehen war, miteinander sprachen. Francisco, der akustisch nichts gehört hatte, erzählten wir dann, was die Gottesmutter zu uns gesagt hatte und auch, dass sie davon sprach, ihn bald in den Himmel zu holen, dass er zuvor aber noch viele Rosenkränze beten müsse. Von diesem Tag an hatte er die Gepflogenheit, sich fern von uns aufzuhalten und spazieren zu gehen. Wenn ich ihn rief und danach fragte, was er gerade tue, hob er die Hand hoch und zeigte mir den Rosenkranz. Wenn ich ihm sagte, er solle zum Spielen kommen und danach mit uns zusammen den Rosenkranz beten, antwortete er: „Dann später bete ich noch einmal. Erinnerst du dich denn nicht daran, dass die Gottesmutter sagte, ich müsse viele Rosenkränze beten?!“

Er betete viel, selbst dann, als wir in den Kerker geworfen wurden. Während dieser ganzen Zeit gab er sich recht beseelt und suchte Jacinta in den Stunden ihres größten Heimwehs aufzuheitern. Wenn wir zusammen den Rosenkranz beteten und er sah, dass sich einer der Gefangenen niederkniete, jedoch seine Baskenmütze auf dem Kopf hatte, näherte er sich ihm und sagte: „Wenn sie beten wollen, dann müssen sie die Baskenmütze vom Kopf nehmen.“ Und unverzüglich bat dieser arme Mensch ihn, sie ihm abzunehmen, und er nahm sie und legte sie zu dem Kapuzenumhang auf den Hocker.

Während sie Jacinta verhörten, sagte er mit einem großen Frieden und mit einer Freude zu mir: „Wenn sie uns töten, wie sie gesagt haben, dann sind wir sehr bald im Himmel! Wie schön! Mir macht das gar nichts aus!“. Nach einem Moment der Stille fügte er hinzu: „Gott möchte nicht, dass Jacinta Angst hat. Ich werde ein „Gegrüßet seist Du, Maria“ für sie aufsagen.“

Er zeigte stets eine Reife, die weit über sein Lebensalter hinaus ging. Eines Tages, als wir an dem Haus der Patin Teresa vorbeigingen, rief sie uns zu sich, denn sie bereitete gerade ein Fest vor. Die anderen Kinder gesellten sich bald zu uns und die Patin, die uns ein paar gute Dinge zum Nachen angeboten hatte, wollte uns tanzen sehen und singen hören. Beim Erklingen der Lieder gesellten sich auch die Nachbarn hinzu, und am Ende wurde noch um eine Zugabe verlangt.
Francisco kam nahe zu mir heran und sagte: „Besser, wir singen nicht mehr. Dem Herrn gefällt es bestimmt nicht, wenn wir diese gewöhnlichen Lieder singen.“ Und so machten wir uns ganz schnell davon, ließen den Schwarm der Buben und Mädchen zurück und gingen zu unserem geliebten Brunnen.

Der Karneval nahte, und es war das Jahr 1918. Die Kinder, die schon 14 Jahre alt und älter waren, feierten ihr eigenes Fest. Normalerweise kamen sie immer alle zu mir, um mich zu bitten, das Fest mit ihnen zu organisieren. Anfangs lehnte ich ab, doch dann siegte in mir die verführerische Schwäche gegenüber dem Drängen der anderen. Als ich dann später zu Francisco und Jacinta ging, sagte ich ihnen, was geschehen war. „Gehst du nun wieder zurück zu diesem Treiben und amüsierst dich?“, fragte mich ganz ernsthaft Francisco. „Hast du inzwischen denn ganz vergessen, dass wir versprochen haben, solches zu unterlassen?“ – „Ich wollte es doch gar nicht. Siehst du denn nicht, wie sie mich dazu drängen, zu ihnen zu kommen? Ich weiß gar nicht, was ich nun tun soll!“ – „Weißt du, was du tun musst? Alle wissen es doch, dass dir die Gottesmutter erschienen ist. Deshalb sagst du ihnen, dass du Ihr versprochen hast, nicht mehr zu tanzen, und dass es deshalb ist, dass du nicht mehr hingehst! Und wenn dann der Karnevalstag kommt, verschwinden wir in die Grotte des Cabeço. Dort findet uns niemand.“

Ich war mit dieser Idee einverstanden. Sobald man von meiner Entscheidung wusste, drängte mich niemand mehr dazu, das Treffen zu organisieren. Gott segnete uns. Und die Freundinnen, die zuerst versucht hatten, mich zu den Vergnügungen zu überreden, folgten mir bald nach, sie suchten mich am Sonntag Nachmittag zu Hause auf, dass ich mit ihnen gehe, den Rosenkranz in der Cova d’Ira zu beten.

Francisco war nicht sehr gesprächig. Um zu beten und seine Opfer zu bringen, zog er es sogar vor, sich vor Jacinta und mir zu verbergen. Nicht selten geschah es, dass wir ihn dabei hinter einer Mauer oder einem Strauch überraschten, wo er sich recht schlau zu verstecken wusste. Dort kniete er, betete oder dachte darüber nach, wie sehr der Herr traurig aufgrund der vielen Sünden ist, wie er es selbst sagte.
Einmal fragte ich ihn: „Francisco, was möchtest du lieber tun. Den Herrn  trösten oder die Sünder bekehren, damit nicht so viele von ihnen in die Hölle kommen?“ – „Ich möchte lieber den Herrn trösten. Hast du denn nicht bemerkt, wie traurig die Gottesmutter auch im letzten Monat geworden ist, als sie sagte, man solle den Herrn, unsern Gott, nicht weiter beleidigen, der schon so sehr beleidigt worden ist? Ich möchte den Herrn trösten und danach die Sünder bekehren, damit sie Ihn nicht weiter beleidigen.“

Als dann auch er zur Schule ging, und als wir uns Fatima näherten, sagte er mehrere Male zu mir: „Schau, geh du zur Schule. Ich bleibe hier in der Kirche, nahe beim verborgenen Jesus. Für mich lohnt es nicht mehr, lesen zu lernen, ich werde bald in den Himmel gehen. Wenn du von der Schule zurück kommst, dann komm und rufe mich!“
Eines Tages, kaum dass wir das Haus verlassen hatten, bemerkte ich,  dass Francisco sehr langsam lief. “Was hast du? Es scheint, als könntest du nicht mehr laufen!“ – „Ich habe starke Kopfschmerzen und mir ist so, als würde ich gleich stürzen.“ – „Wenn es so schlimm ist, dann komm nicht mit und bleib zu Hause!“ – „Nein, ich möchte lieber in der Kirche bei dem verborgenen Jesus bleiben, während du in der Schule bist.“

Durch sein Gebet erhielt er viele Gnaden von Jesus. Ich berichte nun von einigen. Noch vor seiner Erkrankung verließ er einmal das Haus und begegnete meiner Schwester Teresa. Sie kam im Auftrag einer anderen Frau aus einem nahe gelegenen Ort, in dem man einen ihrer Söhne verhaftet hatte, ohne dass man den Grund der Anklage dafür kannte. Hätte er seine Unschuld nicht beweisen können, wäre er entweder ins Exil geschickt oder für einige Jahre ins Gefängnis gesperrt worden. So fragte sie mich, ob ich nicht von der Gottesmutter eine Gnade erwirken könne. Kaum hatte ich diese Nachricht erhalten, machte ich mich auf den Schulweg. Unterwegs erzählte ich diesen Fall meinem Cousin. In Fatima angelangt, sagte Francisco: „Weißt du was? Während du in der Schule bist, bleibe ich bei dem verborgenen Jesus und bitte Ihn um diese Gnade.“ Kaum war die Schule beendet, ging ich zu ihm und fragte: „Hast du den Herrn um diese Gnade gebeten?“ – „Ja. Sag deiner Schwester Teresa, dass dieser junge Mann in ein paar Tagen nach Hause zurück kommen wird.“ Und tatsächlich, nach wenigen Tagen kehrte der arme junge Mann nach Hause zurück, es war an einem 13. des Monats, so kam er mit der ganzen Familie, um der Gottesmutter für die erhaltene Gnade zu danken.

Es gab auch eine Frau aus Alqueidao, die die Heilung eines Kranken erbat und ebenso die Bekehrung eines Sünders. Francisco sagte: „Für diese Frau bete ich. Ihr betet für die anderen, das sind recht viele!“ Diese Frau erschien kurz nach dem Tode von Francisco bei mir, um mich zu fragen, welches sein Grab sei. Sie wollte hingehen, um ihm für die erhaltenen Gnaden zu danken.

An einem anderen Tag knieten sich eine arme Frau und ein junger Mann (es waren Mutter und Sohn) vor Francisco nieder, um ihn zu bitten, dass er von der Gottesmutter die Heilung des Vaters und seine Nichteinberufung in den Krieg erhalte. Francisco kniete sich ebenfalls nieder, nahm seine Mütze vom Kopf und fragte die beiden, ob sie mit ihm den Rosenkranz beten wollten. Sie willigten ein, und so begannen sie zu beten. Danach begleiteten sie uns noch bis in die Cova d’Ira. Auf dem Weg dorthin beteten sie mit uns zusammen noch einen weiteren Rosenkranz und dort angelangt noch einen weiteren. Dann verabschiedeten sie sich sehr zufrieden. Die arme Frau versprach, hierher zurückzukehren und der Gottesmutter zu danken für die erbetenen Ganden, sobald sie diese erhalten habe. Und tatsächlich kam sie noch einige Male hierher, nicht nur mit dem Sohn, sondern auch mit dem bereits wieder gesund gewordenen Mann.

Am 23. Dezember 1918 erkrankte Francisco zusammen mit Jacinta am Spanischen Fieber, das ihn wenige Monate später zum Tode gereichte.
Während der Krankheit zeigte er sich stets froh und zufrieden. Öfters fragte ich ihn: „Francisco, leidest du stark?“ – „Es reicht. Aber das macht nichts. Ich leide, um unseren Herrn zu trösten und dann, recht bald, gehe ich in den Himmel!“
Hin und wieder sagte er zu mir, wenn ich bei ihm auf meinem Schulweg vorbeisah: „Bitte, sei so lieb und geh in die Kirche und richte dem verborgenen Jesus viele Grüße von mir aus. Das, was ich am meisten bedauere, ist, dass ich nicht mehr für ein paar Minuten bei dem verborgenen Jesus sein kann.“
Ein anderes Mal fragte ich ihn: „Francisco, geht es dir sehr schlecht?“ – „Ja. Aber ich leide, um den Herrn zu trösten.“

Als Jacinta und ich einmal in sein kleines Zimmerchen eintraten, sagte er zu uns: „Sprecht heute etwas weniger. Ich habe sehr starke Kopfschmerzen.“ – „Vergiss nicht, alles für die Sünder aufzuopfern!“, erinnerte ihn Jacinta. „Ja, aber zuerst opfere ich, um den Herrn zu trösten und die Gottesmutter, und dann erst werde ich für die Sünder und für den Heiligen Vater opfern.“

Eines Tages traf ich ihn sehr zufrieden an. „Geht es dir besser?“ – „Nein, ich fühle mich noch viel schlechter. Jetzt fehlt nicht mehr viel, um in den Himmel zu gehen. Dort droben dann werde ich den Herrn und die Gottesmutter ganz viel trösten. Jacinta wird viel für die Sünder beten, für den Heiligen Vater und für dich. Und du bleibst hier unten, denn so will es die Gottesmutter. Schau, tu alles das, was Sie dir sagen wird.“
Während Jacinta mit dem einzigen Gedanken besorgt schien, die Sünder zu bekehren und die Seelen aus der Hölle zu befreien, schien es bei Francisco so, als denke er nur daran, den Herrn und die Gottesmutter zu trösten, die ihm beide so traurig erschienen sind.

Einmal besuchte eine Frau aus Casa Velha Francisco in seinem Zimmerchen. Sie hieß Marianna und war zutiefst bekümmert, weil ihr Mann einen der Söhne aus dem Hause verwiesen hatte. Sie bat nun um die Gnade der Versöhnung zwischen Vater und Sohn. Francisco entgegnete ihr: „Sind sie ganz beruhigt. Ich werde schnell in den Himmel gehen, und wenn ich dort angekommen bin, werde ich um diese Gnade bei der Gottesmutter bitten.“ Ich erinnere mich nicht, wie viele Tage er noch wartete, bis er in den Himmel ging, ich erinnere mich nur daran, dass an dem Abend, an dem Francisco starb, der Sohn den Vater ganz definitiv um Verzeihung bat, was er zuvor verweigerte, weil er sich nicht seinen strengen Bedingungen unterwerfen wollte. Nun fügte er sich in alles, was der Vater ihm auferlegte, und der Frieden im Hause war wieder hergestellt.

Wenige Tage vor seinem Tod sagte mir Francisco: „Schau, es geht mir wirklich sehr schlecht. Jetzt fehlt nur noch ganz wenig, bis ich in den Himmel gehe.“ Eines Morgens, recht frühzeitig, kam seine Schwester Teresa, um mich zu rufen: „Komm rasch! Francisco geht es sehr schlecht, und er sagte, er will dir noch etwas wichtiges sagen.“ Ich zog mich rasch an und ging zu ihm. Ich fragte seine Mutter und seine Brüder, warum sie bei meiner Ankunft seine Kammer verließen. Sie meinten, es sei ein Geheimnis, was er mir zu sagen habe. Kaum hatten sie das Zimmer verlassen, sagte Francisco zu mir: „Ich bereite mich auf die Beichte vor und dann auf die Kommunion und dann auf das Sterben. Ich möchte, dass du mir sagst, wann du mich bei einer Sünde gesehen hast, und dass du dann zu Jacinta gehst, ob sie mich bei einer Sünde gesehen hat.“ – „Du hast manchmal der Mama nicht gefolgt“, sagte ich, „als sie dir sagte, du sollst im Haus bleiben.  Du hingegen bist davongelaufen und mir gefolgt oder hast dich versteckt.“ – „Das ist wahr. Diese Sünde habe ich begangen. Nun geh Jacinta fragen, ob sie sich noch an andere erinnert.“ Ich ging und Jacinta sagte, nachdem sie etwas nachgedacht hatte: „Schau, sag ihm, dass er, noch bevor uns die Gottesmutter erschienen ist, dem Papa ein Geldstück gestohlen hatte, um sich bei Giuseppe Marto in Casa Velha eine Mundharmonika zu kaufen, und dass er, als die Jungen von Aljustrel mit Steinen auf die Jungen von Boleiros warfen, auch mit Steinen geworfen hat!“
Als ich ihm die Antwort von seiner Schwester brachte, entgegnete er: „Diese Sünden habe ich schon gebeichtet, doch werde ich sie nochmals beichten. Vielleicht ist es gerade wegen dieser Sünden, weshalb der Herr so traurig ist. Nun habe ich sie bereut.“ Daraufhin verließ ich ihn wieder und ging zu meinen Aufgaben.

Als ich bei Einbruch der Dämmerung wieder zu ihm kam, strahlte er vor Freude. Er hatte gebeichtet und der Pfarrer hatte ihm versprochen, ihm am kommenden Tag die Heilige Kommunion zu bringen.
Nachdem er die Kommunion dann am nächsten Tag empfangen hatte, sagte er zu seiner kleinen Schwester: „Heute bin ich noch viel glücklicher als du, denn ich habe den verborgenen Jesus in meinem Herzen.“ Ich verbrachte zusammen mit Jacinta fast den ganzen Tag an seinem Bett. Weil es ihm selbst nicht mehr gelang, bat er uns, den Rosenkranz für ihn zu beten. Es war schon mitten in der Nacht, als ich zu ihm sagte: „Francesco, tschüß. Wenn du heute Nacht noch in den Himmel gehst, dann vergiß mich nicht dort droben, hast du gehört?“ – „Ich vergesse dich nicht, nein, sei ganz beruhigt.“ Und er ergriff meine rechte Hand und drückte sie eine zeitlang ganz fest, blickte mich dabei mit Tränen in den Augen an. „Möchtest du sonst noch irgend etwas?“, fragte ich ihn, und auch mir liefen die Tränen die Wangen herunter. „Nein.“, antwortete er mit matter Stimme. „Dann also tschüß, Francesco! Auf Wiedersehen im Himmel! Adieu, im Himmel!“…
Und der Himmel näherte sich ihm. Am folgenden Tag flog er zu ihm hinauf und in die Arme der Himmlischen Mutter, am Freitag, dem 4. April 1919.

LUCIA

Meine Mutter sah sich nach den Erscheinungen dazu gezwungen, unsere Schafherde zu verkaufen, weil so viele Leute immer wieder nach mir fragten und mich sehen und sprechen wollten. Das war kein geringer Verlust für die Existenz unserer Familie. Für alles das lag die Schuld bei mir, und alle warfen mir dieses in kritischen Momenten offen ins Gesicht. Ich hoffe, dass unser guter Gott das alles akzeptieren wird, denn ich habe Ihm stets gern alles aufgeopfert, um mich Ihm und den Sündern hingeben zu können. Wenn meine Mutter mich schalt und bestrafte, dann deshalb, weil sie glaubte, ich sei eine Lügnerin.

In meiner Familie gab es noch einen anderen Kummer, für den ich, wie sie sagten, die Schuld trug. Die Cova d’Ira war ein Terrain, das meinen Eltern gehörte. Auf dem hinteren Teil befand sich ein fruchtbares Feld, auf dem sich sehr gut Mais, Linsen, Gemüse etc. anbauen ließ. Doch nachdem die Leute damit begannen, ständig dorthin zu gehen, konnte man bald gar nichts mehr kultivieren. Die Leute zertraten alles. Meine Mutter beklagte diesen Verlust sehr und sagte zu mir: „Du müsstest jetzt das essen, was in der Cova d’Ira überhaupt noch wächst!“ Diese Dinge schmerzten mich so sehr, dass ich nicht mehr den Mut hatte, mir ein Stück Brot zu nehmen, um es zu essen. Um mich zu zwingen, zuzugeben, dass die Erscheinungen der Gottesmutter meine Erfindungen gewesen seien, kam es nicht selten dazu, dass ich einen Prügel aus dem Feuerholzhaufen oder den Besenstiel zu spüren bekam.

Eines Tages erkrankte meine Mutter so schwer, dass wir glaubten, sie fiele bald in Agonie. Alle ihre Kinder versammelten sich an ihrem Bett, um ihren letzten Segen zu empfangen. Da ich die Jüngste war, war ich die letzte. Die arme Mama, als sie mich sah, richtete sie sich noch einmal etwas auf und warf ihre Arme um meinen Hals. Meine älteste Schwester zerrte mich aus ihren Armen und schleppte mich in die Küche, wo sie es mir verbot, noch einmal zu der Kranken zurückzukommen und sagte: „Die Mama stirbt so kummervoll wegen des Leids, das du ihr bereitet hast!“ Ich kniete mich nieder, stützte den Kopf auf einen Hocker, und mit einem solch tiefen bitteren Schmerz, wie ich ihn bisher noch nie erfahren hatte, bot ich unserem lieben Gott dieses mein Opfer an.
Wenige Minuten danach, als sie sahen, wie verzweifelt die Situation ist, kamen sie zu mir und sagten: „Lucia! Wenn es wahr ist, dass du die Gottesmutter gesehen hast, dann geh in die Cova d’Ira und frage Sie, ob Sie die Mutter nicht heilen möchte. Versprich Ihr, was du willst! Auch wir werden es dann tun, und wir werden dir dann vor allem glauben.“ Ohne auch nur einen Moment zu zögern, machte ich mich auf den Weg. Ich lief über die Felder, um abzukürzen, betete dabei den Rosenkranz, bis ich dort angekommen war. Ich flehte nun zur Gottesmutter, schüttete ihr mein Herz aus, vergoss Tränen dabei und kehrte nach Hause zurück, getröstet durch die Hoffnung, dass meine liebe Himmlische Mama meiner Mama auf Erden die Gesundheit wiedergeben werde. Als ich daheim ankam, ging es meiner Mutter bereits besser. Drei Tage später konnte sie schon wieder alle Arbeiten im Hause verrichten.

Inzwischen schickten der Bürgermeister und die anderen Herren der Kommune, die die Geschehnisse von Fatima nicht wahrhaben wollten, während der Nacht einige Männer in einem Auto, um die Steineiche abzusägen, auf der die Erscheinungen waren. Am Morgen dann sprach sich dieses schnell herum. Ich lief dorthin, um zu sehen, ob es wahr sei. Wie groß war doch meine Freude, als ich bemerkte, dass sich diese Männer geirrt hatten und statt der Steineiche eine nahe stehende gewöhnliche Eiche entfernt hatten. Ich bat also die Gottesmutter um Verzeihung für diese armen Männer und bat um ihre Bekehrung.

Es vergingen einige Tage, es geschah dann am 13. Mai, doch erinnere ich mich nicht, ob es das Jahr 1918 oder 1919 war. Noch im Morgengrauen ging das Gerücht herum,  dass es in Fatima eine berittene Einheit gäbe, die die Leute daran hindern sollte, in die Cova d’Ira zu gehen. Alle kamen verschreckt darüber zu mir, um mir diese Nachricht zu bringen, sie äußerten dabei ihre Befürchtung, dass dies ganz gewiß der letzte Tag meines Lebens sei. Ohne mir aus dem, was sie mir sagten, etwas zu machen, machte ich mich auf den Weg zur Kirche. In Fatima angelangt, ging ich durch die Reihen der Pferde hindurch, die den ganzen Kirchplatz besetzten, ging in die Kirche hinein und feierte die Messe, die von einem unbekannten Priester zelebriert wurde. Ich empfing die Heilige Kommunion, und nachdem ich meine Danksagung beendet hatte, ging ich in Frieden wieder nach Hause, ohne dass mir jemand auch nur ein Wort gesagt hätte. Am gleichen Abend und obwohl die Nachricht weiterhin kursierte, dass die Soldaten sich bemühten, die Leute fernzuhalten, was ihnen jedoch nicht gelang, ging ich nochmals dorthin, um meinen Rosenkranz zu beten. Auf der Straße gesellte sich eine Gruppe von Frauen zu mir, die von außerhalb kamen. Als ich mich der Ortschaft näherte, kamen auf unsere Gruppe zwei Soldaten zu, die ihre Pferde heftig antrieben, bis sie uns erreichten. Bei uns angelangt fragten sie, wohin wir gingen. Als sie von den Frauen, die sich um nichts scherten, die mutige Antwort hörten, peitschten sie auf ihre Pferde ein, damit sie auf uns losgingen. Die Frauen flohen in alle Richtungen, und ich befand mich im Handumdrehen allein vor zwei Reitern. Nun fragten sie nach meinem Namen. Ohne zu zaudern sagte ich ihnen diesen. Sie fragten mich, ob ich die Seherin sei. Ich bejahte dies. Nun befahlen sie, dass ich mich in der Mitte der Straße aufstellte und zwischen ihnen und den Pferden gehen solle, mir dabei die Straßenrichtung nach Fatima aufzeigend. Als ich in die Nähe des Pantano gelangte, sah mich eine arme Frau, die ihre Wohnung hier in der Nähe hatte, aus einiger Entfernung zwischen den Reitern gehen. Sie kam und warf sich auf der Straßenmitte nieder, wie eine zweite Veronika, um mir Mut zu machen. Die Soldaten zwangen sie, sich sofort zurückzuziehen, und die arme Frau weinte über mein Unglück. In der Gegend nahe von Aljustrel angelangt und nahe bei einer Quelle, sah ich aufgegrabene Löcher, in die man Pfosten setzen wollte. Man hieß mich stehenbleiben und sagte zu mir, vielleicht um mir Angst zu machen: „Ahja, hier sind ja die offenen Gruben! Wir schlagen ihr mit einem unserer Schwerter den Kopf ab und lassen sie dann hier unter der Erde zurück. So beenden wir ein für allemal diese Geschichte!“
Als ich diese Worte hörte, glaubte ich wirklich, dass meine letzte Stunde geschlagen hätte, doch blieb ich ganz ruhig, als würde es sich gar nicht um mich handeln. Nach einer Weile forderten sie mich auf, meinen Weg fortzusetzen. So durchschritt ich unser kleines Dorf. Alle kamen zu den Fenstern und zu den Türen um zu sehen, was da geschehe. Manch einer lachte höhnisch, andere bedauerten mein Schicksal. An meinem Vaterhaus angekommen, ließ man meine Eltern rufen.
Sie waren nicht anwesend. Die Soldaten befahlen mir, das Haus an diesem Tage nicht mehr zu verlassen, schwangen sich in ihre Sättel und ritten davon.
Bei Einbruch der Dämmerung ging das Gerücht herum, dass sich die Soldaten, vom Volke besiegt, zurückgezogen hätten, und so betete ich den Rosenkranz in der Cova d’Ira, in die mich Hunderte von Personen begleiteten.

Mein Vater war der Einzigste, der sich mir gegenüber liebevoll zeigte. In den Diskussionen gegen mich innerhalb der Familie war er es allein, der mich verteidigte. Er war ein gesunder, robuster Mann, der von sich sagte, dass er nicht einmal wisse, was Kopfschmerzen seien. An einem einzigen Tage bekam er eine doppelseitige Lungenentzündung, die ihn in weniger als 24 Stunden in die Ewigkeit hinübergehen ließ. Mein Schmerz darüber war so groß, dass ich glaubte, zu sterben. „Mein Gott! Mein Gott!“ rief ich aus, eingeschlossen in meinem Zimmer. „Nie hätte ich gedacht, dass Du für mich so viel Leid bereithalten würdest! Doch leide ich aus Liebe zu Dir, zur Wiedergutmachung für die Sünden, die gegen das Unbefleckte Herz Mariens begangen wurden, für den Heiligen Vater und für die Bekehrung der Sünder.“

In so kurzer Zeit brachte der liebe Gott Francesco in den Himmel (4.April 1919), meinen lieben Papa (31. Juli 1919) und ließ es zu, dass ich von Jacinta getrennt wurde, die am 21. Januar 1920 ins Krankenhaus nach Lissabon kam. Was für eine Traurigkeit verspürte ich, mich so allein zu wissen! Sooft es mir irgendwie möglich war, zog ich mich in die Felsengrotte zurück, wo uns der Engel erschienen war, um dort, allein mit Gott, mein Herz auszuschütten, meinen ganzen Schmerz loszuwerden, und es flossen viele Tränen dabei.

Einige Zeit später kam dann die Nachricht, dass Jacinta in den Himmel gegangen ist. Man brachte ihren Körper nach Vila Nova von Ourem. Meine Tante brachte mich eines Tages dorthin, zu den sterblichen Überresten ihrer kleinen Tochter, in der Hoffnung, mich dadurch etwas abzulenken. Doch über recht lange Zeit hinweg schien meine Traurigkeit noch zuzunehmen. Wenn ich den Friedhof geöffnet vorfand, setzte ich mich entweder an das grab von Francisco oder das meines Vaters und verbrachte dort Stunden. Dank der Gnade Gottes versprach die Schwester von Don Formigao meiner Mutter, für meine Erziehung den Eintritt in ein Internat bei den Dorotheen-Schwestern zu bewirken, die aus Spanien gekommen waren. Wenn dann alles soweit geregelt sei, würde sie mich holen kommen. Durch all das fand ich Erleichterung, und die große Traurigkeit wich nach und nach.

Der Tag der Abreise wurde festgelegt: der 16. Juni 1921. Die letzte Nacht ging vorüber, das Herz war von Wehmut angefüllt, weil ich mich nun von allen unseren Plätzen verabschieden musste, dessen wohlweislich bewusst, dass es nun zum letzten Male war, dass ich sie hätte betreten können: den Cabeço, die Felsen, das Valinhos, die Pfarrkirche, wo der liebe Gott das Werk Seiner Barmherzigkeit begonnen hatte, den Friedhof, wo ich die sterblichen Reste meines lieben Papas und Franciscos, die ich beide keineswegs habe vergessen können,  zurücklassen musste.
Ohne mich von irgendjemandem zu verabschieden, am Folgetag und in den frühen Morgenstunden gegen 2 Uhr, einzig von der Mutter begleitet und von einem armen Arbeiter, der in der Leiria arbeitete und Manuel Correira hieß, machte ich mich auf den Weg, mein unangetastetes und bewahrtes  Geheimnis mit mir nehmend. Wir kamen an der Cova d’Ira zu einem letzten Gruß vorbei. Dort betete ich ein letztesmal meinen Rosenkranz, bis dieser Ort meinen Blicken entschwand. Ich wendete mich immer wieder nach hinten, als wollte ich somit mein letztes ‚Adieu’ sagen. Gegen 9 Uhr vormittags kamen wir in Leiria an. Hier traf ich mit Frau Filomena Miranda zusammen, die dann später meine Firmpatin wurde und die sich von jetzt ab  dazu bereit erklärte, mich zu begleiten. Der Zug fuhr gegen 14 Uhr ab und hier, auf der Station, umarmte ich meine arme Mutter und wir sagten uns adieu. Dann blieb auch sie unter Tränen zurück. Der Zug fuhr los, und mit ihm mein armes Herz, das in einem Meer von Sehnsucht eingetaucht und voller Erinnerungen war, die mir unmöglich zu vergessen sind.“

* * *

Im Internat „Asilo do Vilar“ von Oporto, das von der Ordensschwester Dorothe geleitet wurde, fühlte Lucia die Stimme des Herrn, der sie zum Ordensleben berufen hat, und am 2. Oktober 1926 begab sie sich nach Tuy in Spanien, trat in das Noviziat der Dorotheen-Schwestern unter dem Namen ‚Schwester Maria von den Schmerzen’ ein.
Ihr alter Wunsch, in den Karmel einzutreten, erfüllte sich dann endlich: am 25. März 1948, Gründonnerstag, als ihr die Erlaubnis durch Papst Pius XII. erteilt wurde, in den Karmel der Heiligen Teresa von Coimbra einzutreten. Hier nahm sie den Namen ‚Schwester Maria vom Unbefleckten Herzen’ an.
Am 10. Dezember 1925 erschien Lucia die Heilige Jungfrau, die ihr die Hand auf die Schulter legte und ihr zur gleichen Zeit ein von Dornen umwundenes Herz auf Ihrer anderen Hand zeigte und zu ihr sagte: „Schau, mein Kind, das ist Mein mit Dornen umwundenes Herz, das die undankbaren Menschen mit ihren Gotteslästerungen und Undankbarkeiten durchbohren. Versuch du wenigstens, mich zu trösten. Und alle, die fünf Monate lang am ersten Samstag zur Beichte gehen und danach die Heilige Kommunion empfangen, die den Rosenkranz beten und mir somit 15 Minuten Gesellschaft leisten, dabei die 15 Geheimnisse des Rosenkranzes betrachtend, um die Beleidigungen zu sühnen, die Meinem Unbefleckten Herzen angetan werden, ihnen allen verspreche ich, in der Stunde ihres Todes anwesend zu sein, mit allen notwendigen Gnaden zur Rettung ihrer Seelen.“
Lucia ist im Himmel mit ihren beiden kleinen Vettern am 13. Februar 2005 wieder zusammengekommen, im Alter von 95 Jahren.
Maria fährt fort damit, sich ihrer zu bedienen, um die Welt für den Triumph Ihres Unbefleckten Herzens vorzubereiten.

   

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